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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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konnte.«
    »Da war so viel Blut. Aber Khaders Männer kannten mich. Sie haben einen Tumult gemacht und sich ins Revier durchgekämpft. Sie haben mich rausgeholt und ins Krankenhaus gebracht. Khader hatte einen Lastwagen in der Nähe und einen Arzt – Doktor Hamid, erinnerst du dich? –, und sie haben mich gerettet.«
    »Khaled war auch dort. Hat er dich gerettet?«
    »Nein. Khaled hat den Tumult gemacht. Farid hat mich rausgeholt.«
    »Farid hat dich da rausgeholt?«, fragte ich verblüfft. Farid hatte in all den Monaten, in denen wir zusammenarbeiteten, kein Wort darüber verlauten lassen. »Und er wusste die ganze Zeit Bescheid?«
    »Ja. Wenn du ein Geheimnis hast, Lin, kannst du es Farid anvertrauen. Er ist der beste von ihnen, mein Bruder, jetzt, wo es Abdel Khader nicht mehr gibt. Nach Nasir ist Farid der beste Mann. Vergiss das nie.«
    »Und was ist aus diesen drei anderen Typen geworden? Den drei Iranern? Was wurde aus denen, nachdem du in die Falle gegangen warst? Hat Khader sie gefunden?«
    »Nein. Als Abdel Khader Sapna und seine Männer erledigte, sind die drei nach Delhi abgehauen.«
    »Einer der Sapna-Typen ist auch entkommen, weißt du das?«
    »Ja. Der ist auch nach Delhi geflüchtet. Als ich wieder Kraft hatte – ich war zwar noch nicht ganz geheilt, aber stark genug, um zu kämpfen –, vor zwei Monaten, habe ich angefangen, nach den vier Männern und ihren Freunden zu suchen. Ich hab einen gefunden. Aus dem Iran. Den hab ich erledigt. Nun sind nur noch drei aus dieser Zeit übrig – zwei Iraner und einer der Sapna-Killer von Ghani.«
    »Weißt du, wo die sind?«
    »Hier. In der Stadt.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja. Deshalb bin ich nach Bombay gekommen. Aber jetzt, Lin, mein Bruder, müssen wir ins Hotel zurück. Salman und die anderen warten oben auf uns. Sie wollen ein Fest feiern. Sie werden froh sein, dass ich dich gefunden habe. Sie haben dich vor Stunden mit einem schönen Mädchen weggehen sehen, und sie sagten mir, ich kann dich nicht finden.«
    »Das war Lisa«, sagte ich und blickte unwillkürlich zum Hotel hinüber. »Willst du … sie sehen?«
    »Nein«, antwortete er lächelnd. »Ich bin mit jemandem zusammen – mit Farids Kusine, Ameena. Sie sorgt seit über einem Jahr für mich. Sie ist ein gutes Mädchen. Wir wollen heiraten.«
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, rief ich aus; diese Aussage erschütterte mich fast noch mehr als die Tatsache, dass er den Kugelhagel überlebt hatte.
    »Doch«, erwiderte er grinsend und umarmte mich rasch. »Aber komm jetzt, die anderen warten auf uns. Challo.«
    »Geh du schon vor«, sagte ich und lächelte ihn an. »Ich komme gleich nach.«
    »Nein. Komm mit, Lin«, drängte er. »Komm schon.«
    »Ich brauche noch einen Moment Zeit. Ich komme … wirklich gleich.«
    Er zögerte einen Augenblick, doch dann lächelte er, nickte und ging durch den hohen Torbogen des Gateway zum Hotel zurück.
    Die Dämmerung begann das rötliche Licht der Abendsonne zu verdunkeln. Dunstige Wolken verschleierten den Horizont, als wolle der Himmel an jener fernen Mauer der Welt im Meer versinken. Die meisten Schiffe und Boote am Dock unterhalb der Mauer waren an Pfosten festgebunden, andere lagen vor Anker und wippten im Rhythmus der Wellen auf und ab. Die kraftvollen Wellen der Flut klatschten an die Mauer, an der ich stand. Hie und da schwappten weiße Schaumkronen über die weißen Fußwege entlang des Boulevards, und die Passanten umrundeten das züngelnde Wasser oder rannten lachend hindurch. Und in den kleinen Meeren meiner Augen, diesen blaugrauen Ozeanen, brandeten Tränenwellen an die Mauer meines Willens.
    Hast du ihn geschickt?, fragte ich stumm den toten Khan, meinen Vater. Der Meuchelschmerz hatte mich zu jener Mauer gezerrt, an der die Straßenjungen Heroin verkauften. Und dann, im letzten Moment, war Abdullah erschienen. Hast du ihn geschickt, um mich zu retten?
    Die sinkenden Strahlen des Abendrots, des Totenfeuers am Himmel, versengten meine Augen, und ich wandte den Blick ab, schaute aufs Meer und sah zu, wie die letzten kirsch- und magentaroten Flammen im saphirblauen Licht über dem glitzernden Ozean verblassten. Und während ich auf das aufgewühlte Wasser blickte, versuchte ich meinen Gefühlen mit Gedanken und Tatsachen Halt zu geben. Sonderbarerweise hatte ich in ein und derselben Stunde Abdullah erneut gefunden und Khaderbhai erneut verloren. Und dieses Erlebnis, diese Tatsache, diese schicksalhafte Verknüpfung half mir dabei, mich selbst zu

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