Shantaram
mit der iranischen Geheimpolizei, dem neuen Savak.«
»Können wir – Augenblick«, sagte ich und lehnte mich, Halt suchend, an die Mauer. »Ich brauche eine Zigarette.«
Ich klappte die Schachtel auf und hielt sie ihm hin.
»Hast du das vergessen?«, sagte er und grinste mich fröhlich an. »Ich rauche keine Zigaretten. Und du solltest das auch nicht tun, Bruder Lin. Ich rauche nur das Haschisch. Ich habe welches, wenn du möchtest.«
»Vergiss es«, sagte ich und lachte. »Ich werd den Teufel tun und mich mit einem Geist bekiffen.«
»Diese Männer – gegen die wir gekämpft haben –, die haben hier Geschäfte gemacht. Meist Drogen, aber manchmal auch Waffen und Pässe. Und sie waren Spione, haben jeden aus dem Iran verraten, der vor dem Irak-Krieg geflohen ist. Ich war einer von denen. Viele tausend Leute sind hierher geflohen, nach Indien, und viele auch, weil sie den Ayatollah Khomeini hassen. Diese Spione aus dem Iran haben dem neuen Savak über uns berichtet. Und sie hassen Khader, weil er den Mudjahedin in Afghanistan helfen wollte und so vielen von uns aus dem Iran geholfen hat. Verstehst du das alles, Lin, mein Bruder?«
Die Zusammenhänge waren mir bekannt. Zahllose Exiliraner lebten in Bombay, und viele von ihnen, die ihre Heimat und ihre Familie verloren hatten und darum kämpften, hier zu überleben, waren meine Freunde geworden. Einige gehörten bereits bestehenden Mafia-Klans an, andere hatten eigene Klans gegründet und verdingten sich für die Schmutzarbeit in diesem Gewerbe, das von Tag zu Tag etwas blutiger wurde. Ich wusste auch, dass sich Spione der iranischen Geheimpolizei in die Gemeinschaft der Exilanten eingeschlichen hatte, über sie berichteten und sich gelegentlich auch selbst die Hände schmutzig machten.
Ich nickte und zog an meiner Zigarette.
»Als diese Männer, diese Spione, Berichte machten«, fuhr Abdullah fort, »litten unsere Familien im Iran. Mütter, Brüder, Väter wurden ins Gefängnis der Geheimpolizei gebracht. Da foltern sie die Leute. Einige sterben. Meine eigene Schwester – sie foltern und vergewaltigen sie, um an Informationen über mich zu kommen. Mein eigener Onkel ist ermordet worden, weil meine Familie die Polizei nicht schnell genug bezahlen konnte. Als ich das gehört habe, habe ich Abdel Khader Khan gesagt, dass ich ihn verlassen muss, weil ich diese Spione bekämpfen will. Er hat gesagt, dass ich bleiben solle. Und dass wir sie zusammen bekämpfen. Er hat gesagt, dass wir sie finden, und er hat mir versprochen, dass wir sie alle töten.«
»Khaderbhai …«, murmelte ich und stieß den Rauch aus.
»Und mit Khaders Hilfe haben wir einige gefunden, Farid und ich. Am Anfang waren es neun. Sechs haben wir gefunden und erledigt. Die anderen drei lebten noch. Drei Männer. Und sie wussten etwas über uns – sie wussten, dass es einen Spion im Rat gibt, ganz nah bei Khader Khan.«
»Abdul Ghani.«
»Ja«, sagte er und spuckte bei der Erwähnung des Verräters angewidert aus. »Ghani war aus Pakistan. Er hatte viele Freunde bei der pakistanischen Geheimpolizei, dem ISI. Die arbeiten zusammen mit dem neuen Savak, der CIA und dem Mossad.«
Ich nickte. Eine Bemerkung von Abdul Ghani fiel mir ein: Alle Geheimdienste der Welt arbeiten zusammen, Lin, und das ist ihr größtes Geheimnis.
»Der pakistanische ISI hat also die iranische Geheimpolizei über ihren Kontakt im Khader-Klan benachrichtigt.«
»Abdul Ghani, ja«, erwiderte er. »Im Iran machte man sich Sorgen. Sechs gute Verräter waren verschwunden. Niemand hat ihre Leichen gefunden. Nur drei waren übrig. Die drei haben für Ghani gearbeitet. Er hat ihnen gesagt, wie sie eine Falle für mich legen sollen. Damals wussten wir noch nicht, dass Sapna für Ghani arbeitete und sich gegen uns wenden wollte. Khader wusste es nicht. Ich wusste es nicht. Sonst hätte ich die Einzelteile dieser Sapna-Typen selbst in Hassan Obikwas Grube geworfen. Aber ich wusste es nicht. Als ich in die Falle ging, beim Crawford Market, haben die Männer aus dem Iran auf mich geschossen, von einer Stelle neben mir. Die Polizisten haben gedacht, dass ich schieße und das Feuer eröffnet. Ich habe gewusst, dass ich sterben muss, und deshalb habe ich auf die Polizei geschossen. Den Rest weißt du jetzt.«
»Nicht alles«, knurrte ich. »Nicht genug. Ich war dort an dem Abend. In der Menge am Crawford Market. Es war verrückt. Alle sagten, du seist von den Kugeln so zersiebt worden, dass man dein Gesicht nicht mehr erkennen
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