Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
Vom Netzwerk:
Gefühle zu deuten, die sich nacheinander auf Lisas klarem weichem Gesicht abzeichneten.
    »Hast du seine Stunts mal gesehen?«, fragte sie.
    »Vikrams?«
    »Ja. Er hat ziemlich viel gemacht, bevor Lettie ihn überredet hat, aufzuhören.«
    »Ich hatte viel zu tun. Aber ich wollte Vikram sowieso mal treffen.«
    »Warum machst du’s nicht einfach?«
    »Werd ich schon. Ich hab gehört, dass er jeden Tag am Colaba Market rumhängt. Aber ich arbeite oft nachts, deshalb konnte ich lange nicht ins Leopold’s kommen. Es ist … ich hatte einfach viel zu tun.«
    »Ich weiß«, sagte sie sanft. »Vielleicht zu viel, Lin. Du siehst nicht so gut aus.«
    »Ach, nun hör aber auf«, erwiderte ich und bemühte mich um ein Lachen. »Ich trainiere jeden Tag. Alle zwei Tage boxe ich oder mache Karate. Fitter kann man gar nicht sein.«
    »Du weißt, was ich meine«, insistierte sie.
    »Ja, ich weiß, was du meinst. Hör mal, ich muss los …«
    »Nein. Musst du nicht.«
    »Muss ich nicht?«, sagte ich mit angestrengtem Lächeln.
    »Nein. Du kommst jetzt mit mir auf mein Zimmer. Wir können uns Kaffee raufschicken lassen. Komm, gehen wir.«
    Und sie hatte recht: Die Aussicht war fantastisch. Touristenfähren, die zum Elephanta Island fuhren oder zurückkehrten, glitten stolz über die Wellen. Hunderte von kleineren Booten wippten und hüpften wie herausgeputzte Vögel im flacheren Wasser, während gewaltige Lastkähne reglos am Horizont verharrten, an jener Stelle, wo der Ozean in die Bucht überging. Auf der Straße unten wanden sich Touristenströme wie bunte Girlanden durch den riesigen erhabenen Steinbogen des Gateway Monument.
    Lisa streifte ihre Schuhe ab und setzte sich im Schneidersitz aufs Bett, ich ließ mich am Rand nieder und starrte auf den Boden an der Tür. Wir blieben eine Weile stumm, lauschten den Geräuschen, die ins Zimmer wehten, wenn der Wind die Vorhänge aufbauschte und wieder sinken ließ.
    »Ich finde«, begann Lisa und holte tief Luft, »dass du bei mir wohnen solltest.«
    »Wow, das ist …«
    »Hör mich an«, bat sie mit erhobenen Händen. »Bitte.«
    »Ich denke bloß –«
    »Bitte.«
    »Okay«, fügte ich mich lächelnd und lehnte mich ans Kopfbrett des Bettes.
    »Ich hab eine neue Wohnung. In Tardeo. Ich weiß, dass du Tardeo genauso gern magst wie ich. Und ich weiß, dass du die Wohnung mögen wirst, weil sie genau den Stil hat, den wir beide mögen. Und ich glaube, das will ich dir eigentlich sagen – dass wir dieselben Sachen mögen, Lin. Und wir sind uns in vielerlei Hinsicht ähnlich. Wir haben beide das Heroin überwunden. Das ist scheißschwer, was du genau weißt. Das schaffen nicht viele Leute. Aber wir haben es geschafft, alle beide, und ich glaube, nicht zuletzt deshalb verbindet uns vieles. Wir wären gut zusammen, Lin. Glaub mir. Echt gut.«
    »Ich bin … mir nicht wirklich sicher, ob ich vom Heroin weg bin, Lisa.«
    »Doch, bist du, Lin.«
    »Nein. Ich kann nicht guten Gewissens behaupten, dass ich es nie wieder anrühren werde. Deshalb kann ich auch nicht sagen, dass ich davon weg bin.«
    »Aber umso wichtiger wäre es, dass wir zusammenleben, verstehst du?«, sagte sie fehentlich und den Tränen nahe. »Ich werde dafür sorgen, dass du nicht rückfällig wirst. Ich kann von mir ganz sicher behaupten, dass ich das Zeug nie wieder anrühren werde, weil ich es total hasse. Wenn wir zusammenleben, können wir beide im Filmbusiness arbeiten, es uns gut gehen lassen und füreinander sorgen.«
    »Es gibt zu viel …«
    »Und wenn du dir wegen Australien und dem Knast Sorgen machst, können wir auch ganz woanders hingehen, wo uns niemals jemand finden wird.«
    »Woher weißt du das?«, fragte ich mit möglichst unbeweglicher Miene.
    »Karla hat es mir erzählt«, antwortete Lisa freimütig. »In demselben Gespräch, in dem sie mir damals auftrug, mich um dich zu kümmern.«
    »Das hat Karla getan?«
    »Ja.«
    »Wann war das?«
    »Schon lange her. Ich habe sie nach dir gefragt – nach ihren Gefühlen zu dir und was sie vorhatte.«
    »Warum?«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine«, antwortete ich ruhig und legte meine Hand auf die ihre, »warum hast du Karla nach ihren Gefühlen zu mir gefragt?«
    »Weil ich in dich verliebt war, du Dummerchen!«, erklärte sie, sah mich einen Moment an und wandte dann den Blick ab. »Deshalb war ich mit Abdullah zusammen – um dich eifersüchtig zu machen oder dein Interesse zu wecken. Oder einfach um dir durch ihn nahe zu sein, denn er war ja dein

Weitere Kostenlose Bücher