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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Ich werd dich so oder so besiegen, Bruder.«
    Seit neun Monaten trainierten wir zusammen in einem kleinen, dunklen nach Schweiß riechenden und höchst ernsthaften Studio in der Nähe der Elephant Gate am Ballard Pier. Es war ein Studio für Goondas, das von Hussein, dem einarmigen Überlebenden aus Khaders Kampf mit den Sapna-Killern, geführt wurde. Es gab dort Maschinen und Gewichte, eine Judomatte und einen Boxring. Der Gestank von frischem und altem Männerschweiß, über Jahre in Boxhandschuhe, Gürtel und gepolsterte Ringecken gesickert, war so durchdringend, dass das Studio als einziges Gebäude in diesem Häuserkomplex von Ratten und Kakerlaken gemieden wurde. Blutflecken zierten Wände und Holzboden, und die jungen Gangster, die dort trainierten, zogen sich im Studio binnen einer Woche mehr Verletzungen zu, als man sie in der Notaufnahme einer Klinik an einem heißen Samstagabend zählen konnte.
    »Heute nicht«, erwiderte Abdullah vergnügt und fädelte sich auf die Überholspur ein. »Heute wird nicht gekämpft, Lin. Heute gibt es eine Überraschung für dich. Eine gute Überraschung!«
    »Jetzt mache ich mir ernsthaft Sorgen«, schrie ich ihm zu. »Was soll das sein?«
    »Erinnerst du dich noch, wie ich dich zu Doktor Hamid gebracht habe? Als Überraschung?«
    »Ja, klar.«
    »Okay, und das ist noch besser. Viel besser.«
    »Aha. Ich bin aber immer noch nicht beruhigt. Mehr Hinweise, bitte.«
    »Weißt du noch, als ich dir den Bären geschickt habe, damit er dich umarmt?«
    »Kano, natürlich.«
    »Es ist noch viel besser als das!«
    »Zwischen einem Arzt und einem Bär ist aber ein himmelweiter Unterschied, Bruder«, schrie ich. »Einen Hinweis noch.«
    »Ha!«, lachte Abdullah, als er an einer Ampel anhielt. »Ich sage dir das: Die Überraschung ist so gut, dass du mir alles verzeihen wirst, was du durchgemacht hast, weil du mich für tot gehalten hast.«
    »Ich habe dir schon verziehen, Abdullah.«
    »Nein, Lin, Bruder. Ich weiß, dass du mir nicht verzeihst. Ich habe zu viele blaue Flecken und Schmerzen vom Boxen und dem Karatetraining mit dir.«
    Damit hatte er unrecht, denn ich schlug bei ihm nie so fest zu wie er selbst. Seine Wunden waren zwar gut verheilt, und alles in allem war er fit, doch die grenzenlose Kraft und starke Ausstrahlung von früher hatte er nicht mehr wiedererlangt. Und wenn er zum Boxen sein Hemd auszog und ich die Narben auf seinem Körper sah – als sei er von den Klauen wilder Tiere zerkratzt und mit einem Brenneisen bearbeitet worden –, nahm ich mich immer zurück, wenn ich zuschlug. Doch das wollte ich ihm natürlich nicht offenbaren.
    »Okay«, gab ich mich lachend geschlagen. »Wenn du es so haben willst, dann verzeihe ich dir eben nicht!«
    »Aber wenn du die Überraschung siehst«, rief er, »wirst du mir verzeihen, von ganzem Herzen. Aber jetzt lass das Fragen! Sag mir lieber, was Salman zu Sanjay über dieses Schwein gesagt hat – diesen Chuha!«
    »Woher weißt du, dass wir darüber gesprochen haben?«
    »Ich habe Salmans Gesicht gesehen«, schrie er. »Und Sanjay hat mir heute Morgen gesagt, dass er Salman dazu bringen will, dass er Geschäfte mit Chuha macht. Also, was hat Salman gesagt?«
    »Das weißt du doch«, sagte ich, etwas ruhiger, weil wir gerade anhielten.
    »Gut! Nushkur’ Allah’. Dank sei Gott.«
    »Du hasst Chuha wirklich, oder?«
    »Ich hasse ihn nicht«, stellte Abdullah klar und fuhr weiter. »Ich will ihn nur umbringen.«
    Wir verfielen eine Weile in Schweigen, ließen uns den warmen Wind um die Nase wehen und beobachteten die Schwarzmarktgeschäfte in den Straßen, in denen wir selbst so oft unterwegs gewesen waren. Hunderte von großen und kleinen Betrügereien liefen dort ab, und wir kannten sie alle.
    Als wir hinter einem liegen gebliebenen Bus im Stau feststeckten, entdeckte ich Taj Raj auf dem Fußweg, einen Taschendieb, der normalerweise in der Gegend des Gateway am Taj Mahal Hotel arbeitete. Vor einigen Jahren hatte er einen Machetenhieb überlebt, der ihm beinahe den Kopf abgetrennt hätte. Seither konnte er nur noch heiser raunen, und sein Kopf saß in einem derart schiefen Winkel auf seinem Körper, dass er beinahe umfiel, wenn er seine Zustimmung durch Kopfwiegen zum Ausdruck bringen wollte. Zusammen mit seinem Freund Indra zog er die Stolpern-Hinfallen-Klauen-Nummer ab. Indra, auch »Der Poet« genannt, sprach fast nur in Verspaaren, die zu Anfang betörend schön waren, sich jedoch bald in derart perversen und abscheulichen

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