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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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argwöhnischer und eher kümmerlicher Bursche. Im Zählraum wirkte er breiter und selbstsicherer. Es schien, als verschaffe ihm die körperliche Anwesenheit in diesem Raum besondere psychische Kräfte: Solange sich ein Teil von Rajubhai noch dort befand, war er noch immer mit der Kraft, der Macht, dem Geld verbunden.
    »Linbaba!«, rief er. »Vergiss die Hochzeit nicht! Du kommst doch, ja?«
    »Klarer Fall«, rief ich lächelnd zurück.
    Ich stürmte die drei Treppen hinunter, rangelte auf jeder Etage ein bisschen mit den Wache stehenden Goondas und sprintete an den Männern vorbei, die den Eingang sicherten. Am Ende der Straße erwiderte ich das Lächeln von zwei weiteren Wachen, die den Eingang beaufsichtigten. Von einigen Ausnahmen abgesehen, mochten mich die jungen Mafiosi. Ich war nicht der einzige Ausländer in den Reihen der Mafia – es gab einen Iren im Bandra-Klan, einen Amerikaner, der keiner Gruppe angehörte, aber größere Drogendeals tätigte, einen Holländer in einem Klan in Khar und andere –, aber ich war der einzige Gora im Salman-Klan. Und jene Jahre damals, in denen das indische Selbstbewusstsein aus der postkolonialen Erde zu sprießen begann wie grüne, weiße und orangefarbene Ranken, waren die letzte Zeit, in der man Inder einzig und allein aufgrund der Tatsache beeindrucken konnte, dass man Brite war oder einem Briten zumindest ähnelte.
    Rajubhais Einladung zur Hochzeit seiner Tochter bedeutete, dass ich in denselben Rang erhoben war wie die anderen. Schon seit Monaten arbeitete ich eng mit Salman, Sanjay, Farid, Rajubhai und anderen aus dem Klan zusammen. Meine Arbeit mit den Pässen brachte beinahe ebenso viel ein wie der gesamte Wechselsektor. Meine Männer auf den Straßen zahlten riesige Summen in die Kassen für Gold, Güter und Devisenumtausch. Jeden zweiten Tag trainierte ich mit Salman Mustaan und Abdullah Taheri im Boxstudio. Durch meine Freundschaft mit Hassan Obikwa war es mir gelungen, eine Allianz mit seinen Leuten aus dem schwarzen Ghetto herzustellen. Diese nützliche Verbindung hatte uns neue Leute, neue Märkte und Einkommensquellen verschafft. Auf Nasirs Wunsch hin hatte ich mich einer Gruppe angeschlossen, die eine Vereinbarung mit Exilafghanen in der Stadt getroffen hatte – auf diesem Weg gelangten wir an eine stetige Versorgung mit Waffen aus den halb autonomen Stammesgebieten an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan. Ich hatte Freunde und mehr Geld, als ich ausgeben konnte, und man zollte mir Respekt. Dennoch war erst die Einladung zur Hochzeit von Rajubhais Tochter das Zeichen dafür, dass ich wirklich in die Reihen des Salman-Klans aufgenommen war. Rajubhai gehörte zu den Älteren im Rat. Mit der Einladung zeigte er mir, dass er mich im inneren Kreis willkommen hieß und mir Vertrauen und Zuneigung entgegenbrachte. Man kann mit der Mafia und für die Mafia arbeiten und dabei viel Anerkennung bekommen. Doch man gehört erst dazu, wenn man nach Hause eingeladen wird und die Kinder in die Arme gelegt bekommt.
    Ich überschritt die unsichtbaren Grenzen des Fort-Viertels und ging in Richtung Flora Fountain. Ein Taxi auf der Suche nach Kundschaft hielt neben mir, und der Fahrer bedeutete mir recht rüde, dass ich einsteigen solle. Ich winkte ab. Da er nicht ahnte, dass ich Hindi sprach, fuhr er langsam neben mir her, lehnte sich aus dem Fenster und rief: »Hey, weißer Schwesternschänder, siehst du nicht, dass das Taxi leer ist? Was machst du da? Spazierst in der Hitze herum wie eine weiße Ziege, die sich verlaufen hat?«
    »Kai paikey tum?«, fragte ich grob auf Marathi. Was willst du?
    »Kai paikey?«, wiederholte er verblüfft.
    »Was ist dein Problem?«, fragte ich im derben Marathi-Straßenslang. »Kannst du kein Marathi? Das hier ist unser Bombay, Bombay gehört uns. Wenn du kein Marathi sprichst, was treibst du dann hier? Hast du ein Ziegenhirn in deinem Schwesternschänderschädel?«
    »Arrey!«, sagte er grinsend und fuhr auf Englisch fort: »Du sprichst Marathi, baba ?«
    »Gora chierra, kala maan«, gab ich zur Antwort und ließ meine Hände über meinem Gesicht und meinem Herz kreisen. Weißes Gesicht, schwarzes Herz. Ich sprach auf Hindi weiter, wobei ich die höflichste Form der Ansprache benutzte, um ihn zu besänftigen. »Ich bin außen weiß, Bruder, aber innen ganz und gar hindustanisch. Ich gehe nur ein bisschen spazieren. Halte doch Ausschau nach ein paar echten Touristen und lass arme indische Kerle wie mich in Ruhe, na ?«
    Er lachte

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