Shantaram
Beschränkungen des Kapitalflusses weiter verschärft, was Schwarzgeldgeschäfte und Geldwäsche zunehmend erschwerte.Aus diversen Gründen – nicht zuletzt aber wegen des unwiderstehlichen Glamours dieser Branche – hatte der Staat das Filmgewerbe von diesen Kontrollen ausgenommen. In jenen Jahren des Wirtschaftsbooms gewann Bollywood zunehmend an Selbstvertrauen und erweiterte seinen Stil. Die Filme wurden aufwendiger und qualitativ besser, und man produzierte zunehmend auch für den Weltmarkt. Da jedoch die Produktionskosten enorm anstiegen, mussten sich die Produzenten zur Finanzierung neue Geldquellen erschließen, was zu sonderbaren Synergien mit Gangstern führte: Filme über Mafia-Goondas wurden von der Mafia finanziert, und die Einkünfte von Kinoerfolgen über Auftragskiller flossen in neue Verbrechen und reale Auftragsmorde, die wiederum Thema neuer, von der Mafia finanzierter Filme wurden.
Und ich spielte darin sozusagen meine Rolle als Mittelsmann zwischen Chandra Mehta und Salman Mustaan. Dieses System war äußerst einträglich. Der Salman-Klan hatte crores von Rupien – ein crore waren zehn Millionen Rupien – über Mehta-De Souza Productions gewaschen und am Ende saubere Profite herausbekommen, die nicht zurückzuverfolgen waren. Der erste Kontakt, als Chandra Mehta mich gebeten hatte, ein paar tausend US-Dollar für ihn auf dem Schwarzmarkt aufzutreiben, hatte sich zu einem Reibach ausgewachsen, dem der untersetzte Produzent nicht widerstehen konnte. Er war reich und wurde immer reicher. Doch die Männer, die ihr Geld in seine Firma einbrachten, flößten ihm Angst ein, und jeder Kontakt mit ihnen war durch ihr Misstrauen belastet. Da ich für ihn eine Ausnahme darstellte, lächelte Chandra Mehta mich auch jetzt glücklich an und zeigte sich bemüht, mich weiterhin an ihn zu binden.
Da ich den Produzenten ebenso schätzte wie Bollywood-Filme, war ich damit einverstanden. Ich hatte nichts dagegen, in seine hektische wohlhabende Welt einbezogen zu werden.
Neben Chandra saß Lisa Carter. Ihr dichtes blondes Haar war inzwischen wieder länger und umrundete ihr ovales Gesicht. Ihre klaren blauen Augen wirkten lebhaft und entschlossen. Sie sah braungebrannt und gesund aus und hatte ein wenig zugenommen, was sie selbst ärgerte, bei den Männern in ihrem Umfeld jedoch sehr gut ankam. Und an ihrer Ausstrahlung hatte sich einiges geändert: Ihr Lächeln war gelassener und wärmer als früher, ihr Lachen wirkte ansteckender, und mit ihrer heiteren Art brachte sie in allen Menschen, mit denen sie zu tun hatte, das Beste zum Vorschein. Ich beobachtete diese Entwicklung schon seit Monaten und hatte zuerst angenommen, sie sei durch meine Zuwendung bewirkt worden. Zwar hatten wir keine offiziellen Schritte unternommen – wir lebten weiterhin beide in unseren eigenen Wohnungen –, aber wir waren nicht mehr nur Freunde, sondern Liebende. Doch nach einer Weile fiel mir auf, dass sie ganz alleine für diese neuen Kräfte in ihr verantwortlich war. Nach einer Weile verstand ich, dass Lisa unerschöpfliche Quellen von Liebe in sich trug und nur dann glücklich und im Einklang mit sich selbst war, wenn sie diese Liebe zeigen und anderen schenken konnte. Und die Liebe in ihr war wunderschön. Mit diesen kornblumenblauen Augen schenkte sie uns einen strahlenden Himmel und einen Sommermorgen mit ihrem Lächeln.
Sie küsste mich auf die Wange, als ich sie begrüßte. Ich erwiderte den Kuss und fragte mich, warum sie leicht beunruhigt die Stirn runzelte, als ich mich aufrichtete.
An ihrer Seite befanden sich die jungen Journalisten Dilip und Anwar. Sie hatten ihr Studium erst vor einigen Jahren abgeschlossen und lernten nun das Handwerk in den gesichtslosen Räumen von The Noonday, einer Bombayer Tageszeitung. Abends diskutierten sie mit Didier und seiner kleinen Runde die großen Berichte vom Tage, als hätten sie selbst die Knüller lanciert oder die Storys mit ihren Recherchen zum Durchbruch gebracht. Ihre Aufregung und Begeisterung in Kombination mit ihrem Ehrgeiz und ihrer grenzenlosen Zuversicht im Hinblick auf die Zukunft bezauberte alle in der Runde so sehr, dass Kavita und Didier sich bemüßigt fühlten, den Überschwang gelegentlich mit sarkastischen Bemerkungen zu dämpfen. Dilip und Anwar lachten dann meistens und gaben nach Kräften Widerworte, bis schließlich alle wild durcheinanderredeten und im Eifer des Wortgefechts auf den Tisch schlugen.
Dilip war ein großer hellhäutiger Mann mit
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