Shantaram
paar Monate oder nur ein paar Wochen halten würde, auch immer öfter übersehen.
»Du hast Karla gerade versäumt«, sagte Didier leise zu mir, als ich ihm die Hand schüttelte. »Das wird sie ärgern. Sie wollte dich nämlich –«
»Ich weiß«, sagte ich lächelnd. »Sie wollte mich sehen.«
Die Drinks kamen, und Didier stieß mit mir an. Ich trank einen Schluck und stellte mein Glas ab.
Einige von den Filmleuten, die mit Lisa Carter arbeiteten, und Kavita Singh mit ihren Kollegen von der Presse hatten sich hier zu einem kleinen Fest versammelt. Neben Didier saßen Vikram und Lettie, die so froh und gesund aussahen, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Vor wenigen Monaten hatten sie sich eine neue Wohnung mitten in Colaba, unweit vom Marktplatz gekauft. Diese Investition hatte zwar ihre Ersparnisse aufgebraucht, weshalb sie sich von Vikrams Eltern Geld leihen mussten, doch sie hatten damit ein Zeichen für ihre Bindung und ihren Glauben an die Zukunft der boomenden Filmbranche gesetzt und waren noch immer ganz aufgeregt über ihre Entscheidung.
Vikram stand auf und umarmte mich herzlich. Seine Cowboykluft war infolge von Letties Überredungskünsten und seinem eigenen heranreifenden Geschmack Stück für Stück verschwunden; nur der Silbergürtel und die schwarzen Cowboystiefel waren noch geblieben von seinem Clint-Eastwood-Outfit. Sein heiß geliebter Hut, von dem er sich schweren Herzens getrennt hatte, als er sich mehr in den Sitzungsräumen großer Produktionsfirmen als im Korral der Stuntmen aufhalten musste, hing nun an einem Haken in meiner Wohnung – einer meiner persönlichen Schätze.
Als ich mich zu Lettie hinunterbeugte, um sie auf die Wange zu küssen, zog sie mich zu sich und flüsterte mir ins Ohr: »Bleib cool, Mann. Bleib cool«, was ich recht rätselhaft fand.
Neben Lettie saßen die Filmproduzenten Cliff de Souza und Chandra Mehta. Wie es manchmal bei Freunden geschieht, die sich sehr nahe sind, schienen die beiden sich im Laufe der Zeit auch physisch auszutauschen: Cliff war schlanker und kantiger geworden, während Chandra genau im richtigen Maß zugenommen hatte. Auch in anderen Punkten ähnelten sie sich. Da die beiden nicht selten vierzig Stunden am Stück zusammen waren, glichen sie sich in Körpersprache und Ausdrucksweise inzwischen so sehr, dass sie am Set die Spitznamen »Dicker Onkel« und »Dünner Onkel« bekommen hatten.
Auch jetzt rissen beide zugleich begeistert die Arme hoch, als ich auf sie zukam, wobei allerdings jeder seine eigenen Gründe für seine Freude hatte. Cliff de Souza hatte eine große Leidenschaft für Kavita Singh entwickelt, seit ich die beiden bekannt gemacht hatte, und hoffte, dass ich mich bei Kavita für ihn einsetzen würde. Da ich Kavita allerdings wesentlich länger kannte als er, wusste ich, dass nichts und niemand sie zu etwas überreden konnte, was nicht ganz und gar ihren Wünschen entsprach. Doch sie schien ihn durchaus gern zu haben, und die beiden hatten viele Gemeinsamkeiten. Beide waren fast dreißig und noch unverheiratet, was damals in der gehobenen Mittelschicht Indiens so außergewöhnlich war, dass ihre Familien sich bei jedem Festtag aufs Neue den Kopf darüber zerbrachen. Beide arbeiteten in den Medien und waren stolz auf ihre Unabhängigkeit und ihren eigenen künstlerischen Stil. Und beide hatten die Eigenart, in Interessenkonflikten die Argumente jeder Seite ausführlich zu beleuchten und zu erörtern. Auch äußerlich passten sie gut zusammen: Kavitas schlanke Figur und ihre provokante erotische Ausstrahlung ergänzten sich bestens mit Cliffs schlaksiger Gestalt und seinem schiefen jungenhaften Grinsen.
Ich mochte beide sehr gerne und sah keinen Grund, die mir angetragene Rolle als Heiratsvermittler von mir zu weisen. In Gesellschaft anderer ließ ich keinen Zweifel daran, dass ich Cliff de Souza schätzte, und wenn ich mit Kavita alleine war, ließ ich mich bei jeder passenden Gelegenheit dezent über seine Vorzüge aus. Ich war der Ansicht, dass die beiden als Paar durchaus Chancen hätten, und wünschte ihnen von Herzen alles Gute.
Chandra Mehta dagegen freute sich über mein Kommen, weil ich sein Verbindungsmann zum Schwarzgeld des Salman-Klans war, und obendrein noch einer, den er als erfreulich empfand.Wie schon Khader erkannte auch Salman Mustaan die geschäftlichen Vorteile, die der Zugang zur Filmwelt von Bombay über Chandra Mehta für den Klan brachte. Neue strengere Gesetze auf Bundes- und Staatsebene hatten die
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