Shantaram
zurrte sie unter dem Kinn fest und zog die Stoffhörner glatt. Die Leute ganz vorne hielten die Luft an und wichen erschrocken zurück. Ich lächelte und wackelte mit dem Kopf, sodass die Glöckchen klingelten.
»Hallo, Leute!«, sagte ich. »Die Show beginnt!«
Die Wirkung war elektrisierend. Die ganze große Schar von Frauen, Kindern und Männern brach in Gelächter aus. Rufe wurden laut. Jemand berührte mich an der Schulter. Die Kinder ganz vorne fassten meine Hände. Und wer nahe genug war, versuchte mich zu tätscheln und zu streicheln. Ich begegnete Prabakers Blick, und die Freude und der Stolz in seinem Blick waren wie ein Gebet.
Er ließ die Menge ein paar Minuten lang gewähren, dann beendete er das Getümmel mit Entschiedenheit und schickte die Leute nach Hause. Es gelang ihm schließlich sogar, uns einen Weg zur Hütte seines Vaters zu bahnen, und als wir das dunkle Rund von Kishans Zuhause betraten, zerstreute sich die schwatzende, lachende Menge allmählich.
»Musst du baden, Lin. Nach so eine lange Reise riechst du ganz unglücklich bestimmt. Kommst du jetzt hier mit. Haben sie die meine Schwestern schon das Wasser heiß gemacht auf das Feuer. Stehen die Töpfe für dein Baden bereit. Kommst du.«
Er führte mich durch einen niedrigen Türbogen zu einem Bereich neben dem Haus, der auf drei Seiten mit Tatamimatten abgehängt war. Die provisorische Duschwanne bestand aus flachen Flusssteinen, und in unmittelbarer Nähe standen drei große irdene Töpfe mit warmem Wasser bereit. Durch eine sorgfältig gegrabene Rinne konnte das Wasser hinters Haus abfließen. Prabaker erklärte mir, wie ich mir das warme Wasser mit einer kleinen Messingkanne über den Körper gießen sollte, und reichte mir die Seifenschale.
Während er redete, hatte ich meine Stiefel aufgeschnürt und warf sie nun beiseite. Es folgten mein Hemd und die Jeans.
»Lin!«, schrie Prabaker in hellem Entsetzen und überbrückte mit einem riesigen Satz die zwei Meter zwischen uns. Er versuchte meinen Körper mit den Händen zu bedecken, blickte sich verzweifelt um und sah, dass mein Handtuch auf meinem Rucksack lag, wiederum zwei Meter entfernt. Er sprang hinüber, schnappte sich das Handtuch und flitzte wieder zurück, wobei er kleine Entsetzensschreie – Yaaaah! – ausstieß. Dann schlang er das Handtuch um meine Hüften und blickte panisch um sich.
»Bist du ganz verrückt, Lin? Was tust du?«
»Ich … versuche … eine Dusche zu nehmen.«
»Aber so? Aber so ?«
»Was ist los mit dir, Prabu? Du hast mir gesagt, ich soll duschen. Du hast mich hierhergebracht, damit ich dusche. Nun versuche ich also zu duschen, aber du hüpfst hier herum wie ein Hase. Was hast du denn?«
»Warst du nackt, Lin! Nackt und auch noch ohne Kleider !«
»So dusche ich nun mal«, erwiderte ich, entnervt von seinem unerklärlichen Benehmen. Er hüpfte um die Tatamimatten herum und versuchte an mehreren Stellen hindurchzuspähen. »So duscht doch wohl jeder Mensch, oder?«
»Nein! Nein! Nein, Lin!«, rief Prabaker, der mir nun wieder gegenüberstand. Auf seinem für gewöhnlich so heiteren Gesicht zeichnete sich maßlose Verzweiflung ab.
»Zieht ihr euch nicht aus?«
»Nein, Lin! Hier ist Indien. Kann niemand Kleider ausziehen, nicht mal um zu waschen sein Körper. Hier ist Indien. Ist niemand nackt in Indien, niemals. Und ganz vor allem nicht nackt ohne Kleider.«
»Und … wie duscht ihr dann?«
»Tragen wir die Unterhosen, bei Dusche in Indien.«
»Na, dann ist doch alles in Ordnung«, äußerte ich und ließ das Handtuch fallen, um ihm meine schwarze Unterhose vorzuführen. »Ich hab ja eine an.«
»Yaaah!«, kreischte Prabaker, riss das Handtuch hoch und schlang es mir erneut um die Hüften.
»Dieses klein winzige Teile, Lin? Ist es das nicht Unterhosen. Ist das doch nur Unter-Unterhosen. Musst du haben die Über-Unterhosen.«
»Die … Über -Unterhosen?«
»Ja. Bestimmt. Wie diese hier, die meine eigene, wie ich trage.«
Er knöpfte seine Hose weit genug auf, um mir zu demonstrieren, dass er darunter grüne Boxershorts anhatte.
»Tragen wir Männer in Indien diese Über-Unterhosen unter unsere Kleider, in jede Lage und jede Zeit. Sogar wenn wir tragen Unter -Unterhosen, wir tragen Über-Unterhosen darüber. Verstehst du?«
»Nein.«
»Gut, wartest du hier. Besorge ich Über-Unterhosen für deine Dusche. Aber nicht das Handtuch weg tun. Bitte! Versprichst du das! Wenn sie sehen dich die Leute ohne das Handtuch, in diese ganz winzige
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