Shantaram
abbekam, und dann in gemächlichem, schwerfälligem Trott. Ich fragte mich, weshalb gerade diese Tierart zum Ziehen von Lasten verwendet wurde, denn wir bewegten uns nur mühsam und schleppend voran. Der Zebu, auch baille genannt, war garantiert das langsamste Zugtier der Welt. Zu Fuß wäre ich wohl doppelt so schnell gewesen. Und so eilten uns auch die Späher aus der Hirse durch das dicht bepflanzte Feld voraus und kündigten uns im Dorf an.
Alle paar Meter lugten neue Gesichter zwischen den Mais- und Hirsepflanzen hindurch. Und auf allen zeichnete sich derselbe Ausdruck ab – unverhohlenes, fassungsloses, ungläubiges Erstaunen. Hätten Prabaker und sein Vater einen wilden Bären gefangen und ihm das Sprechen beigebracht – die Dorfbewohner hätten nicht faszinierter sein können.
»Sind sie so sehr froh die Leute«, verkündete Prabaker lachend. »Bist du der erster Ausländer in mein Dorf seit einundzwanzig Jahren. Der letzter Bursche, der gekommen ist, war er aus Belgien und war das einundzwanzig Jahre her. Haben sie alle die Leute, die sind jünger als einundzwanzig – haben sie noch nie gesehen ein Ausländer mit die ihre eigene Augen. War er ein gute Mann, der aus Belgien. Aber du – bist du ein sehr, sehr guter Mann, Lin. Werden sie dich so sehr lieben, die Leute! Wirst du hier so prima glücklich sein, dass du ganz bist außer dir selbst. Wartest du nur ab.«
Die Menschen, die mich aus den Feldern rechts und links des Weges anstarrten, wirkten eher ängstlich und verstört als froh. In der Hoffnung, ihre Beklommenheit zu vertreiben, versuchte ich es mit dem indischen Wiegen des Kopfes. Und die Dorfbewohner reagierten sofort: Sie lächelten, lachten, wiegten ebenfalls die Köpfe und liefen voraus, um ihren Nachbarn schon von weitem von dem unterhaltsamen Spektakel zu berichten, das ihnen da entgegengetrottet kam.
Damit der Ochse nicht stehen blieb, drosch Kishan mit geübten Schlägen heftig auf ihn ein. Alle paar Minuten sauste der Stock mit lautem Klatschen auf das Tier nieder. Zwischendurch stieß ihm Kishan das Stockende mit dem Nagel in die Flanken, um den harten Schlägen mehr Nachdruck zu verleihen. Jeder Stoß drang durch das dicke Fell und rupfte dem Tier ein kleines Büschel sahnigbrauner Haare aus.
Der Ochse reagierte auf diese Misshandlung nur, indem er gemächlich weiterzuckelte. Trotzdem litt ich mit dem Tier. Jeder Hieb, jeder Nagelstoß steigerte mein Mitleid, und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus.
»Prabu, tu mir einen Gefallen: Sag deinem Vater, dass er das Tier nicht mehr schlagen soll.«
»Nicht mehr … nicht mehr schlagen ?«
»Ja. Sag ihm, dass er den Ochsen nicht mehr schlagen soll.«
»Nein, Lin, geht das nicht«, erwiderte er lachend.
Der Stock knallte auf den breiten Rücken des Ochsen, gefolgt von zwei schnellen Nagelstößen.
»Ich meine das ernst, Prabu. Sag ihm bitte, dass er aufhören soll.«
»Aber Lin …«
Ich zuckte zusammen, als der Stock erneut niedersauste, und sah Prabaker bittend an, damit er endlich eingriff.
Widerwillig leitete Prabaker meine Bitte an seinen Vater weiter. Kishan hörte aufmerksam zu und brach dann in hilfloses Kichern aus. Als er nach einiger Zeit jedoch bemerkte, wie unbehaglich seinem Sohn zumute war, verebbte sein Lachen in einem Schwall aufgeregter Fragen. Prabaker tat, was er konnte, um sie zu beantworten, doch schließlich wandte er sich mit verzweifelter Miene an mich.
»Lin, will er wissen mein Vater, warum soll er nicht mehr nehmen der Stock.«
»Ich möchte nicht, dass der Ochse Schmerzen hat.«
Jetzt brach Prabaker in Gelächter aus, und als er wieder imstande war, seinem Vater meine Antwort zu übersetzen, stimmte dieser ein. Sie lachten und unterhielten sich eine Weile, dann wandte sich Prabaker erneut mir zu.
»Fragt mein Vater, ob es stimmt, dass essen sie bei euch Kühe, die Leute?«
»Ja, schon. Aber …«
»Und wie viele von die Kühe esst ihr?«
»Wir … na ja, wir exportieren sie auch. Wir essen sie nicht alle selbst.«
»Wie viele?«
»Oh – Hunderttausende. Vielleicht sogar Millionen, wenn man die Schafe mitzählt. Aber wir schlachten die Tiere human. Wir finden, dass man ihnen keine unnötigen Schmerzen zufügen sollte.«
»Sagt er mein Vater, ist es ziemlich schwierig in seiner Meinung zu essen eins von diese große Tiere, ohne dass es hat Schmerzen dabei.«
Dann versuchte er, seinem Vater zu erklären, wie ich war – er erzählte ihm, dass ich einem alten Mann meinen Sitzplatz im Zug
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