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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Stehenden Babas und dem Haschisch beschäftigt. Das leise Gemurmel der Unterhaltungen mischte sich mit Musik und den religiösen Gesängen, die vom Klostergelände herüberdrangen.
    »Und, wie findest du es?«
    »Einfach unglaublich!« Karlas Augen schimmerten im sanften Licht der Laternen. Sie war berauscht und vielleicht auch ein wenig nervös. Das Charras-Rauchen hatte ihre Gesichts- und Schultermuskeln entspannt, doch ihr Blick über dem sanften Lächeln war wie ein unruhig umherschleichender Tiger. »Erstaunlich! Das hier ist die perfekte Mischung aus Horror und Heiligkeit. Ich kann mich nur nicht entscheiden, was heilig ist und was Horror. Andererseits: Horror ist eigentlich nicht ganz das richtige Wort, aber so was in der Richtung meine ich.«
    »Ich weiß, was du meinst«, stimmte ich ihr zu, höchst erfreut, dass es mir gelungen war, sie zu beeindrucken. Seit fünf Jahren lebte sie in dieser Stadt und hatte schon oft von den Babas gehört, aber mit mir war sie heute zum ersten Mal hergekommen. Ich hörte mich an, als kenne ich die Haschischhöhle gut, aber Karla verdankte dieses Erlebnis natürlich nicht mir. Ohne Prabaker, der angeklopft und uns mit seinem strahlenden Lächeln Tür und Tor geöffnet hatte, wären wir niemals hier hereingekommen.
    Einer der Stehenden Babas kam langsam auf uns zu, in Begleitung eines Gehilfen, der ein silbernes Tablett trug, auf dem unterschiedliche Rauchutensilien, darunter Chillums und Charras, lagen. Andere Mönche wankten und schwankten durch den schmalen Gang, rezitierten Gebete und rauchten. Der Baba, der vor uns stand, war groß und mager, doch seine Beine waren so dick angeschwollen, dass grausige Stränge erweiterter Venen aus ihnen hervortraten. Sein Gesicht war hager, und die Schädelknochen an seinen Schläfen traten deutlich hervor. Seine majestätischen Wangenknochen erhoben sich über tiefe Senken, die sich bis zu seinem harten, hungrigen Kiefer hinunterzogen. Unter seinen gewölbten Brauen saßen, tief in den Höhlen vergraben, zwei riesige Augen, aus denen Wahnsinn, Sehnsucht und so viel Liebe strahlten, dass man sich gleichzeitig vor dem Mann fürchtete und ihn bemitleidete.
    Hin und her schwankend, bereitete er mit gedankenverlorenem Lächeln das Chillum vor. Obwohl er uns nicht ansah, lächelte er wie ein guter Freund: nachsichtig, wissend, verzeihend. Er stand so nah bei mir, dass ich die drahtigen Haare seiner buschigen Augenbrauen erkennen konnte und sein kurzes, keuchendes Atmen hörte. Wenn er die Luft ausstieß, klang es wie kleine Wellen, die an eine Steilküste schlagen. Als er das Chillum bereitet hatte, blickte er zu mir auf, und für einen Augenblick verlor ich mich im Spiegel seiner Augen und in der Botschaft, die ich in seinen Pupillen irrlichtern sah. Einen kurzen Moment lang, einen Bruchteil der Unendlichkeit seines Leidens, konnte ich beinahe spüren, was der menschliche Körper leisten und erdulden kann, wenn der Wille ihn dazu zwingt. Und ich war nahe daran, dieses Lächeln auf den Lippen des Mannes zu verstehen, diesen Willen, der das Strahlen erzwang und ihn in den Wahnsinn trieb. Ich war mir sicher, dass der Baba mir das mitzuteilen versuchte, dass er von mir verstanden werden wollte. Und ich versuchte, ihm mit den Augen zu sagen, dass ich es ahnte, dass ich es beinahe spüren konnte. Er legte das Chillum in seine hohle Hand, hielt sie vor den Mund und zog, bis es brannte. Dann reichte er mir die Pfeife, und mit dem weißen Schatten des Rauchs flackerte meine Vision noch einmal kurz auf, bevor sich die schreckliche Nähe zu seinen Qualen verflüchtigte. Der Baba drehte sich um und wankte langsam zurück in Richtung Eingangstor, leise Gebete herunterleiernd.
    Ein Schrei zerriss die Luft, und alle blickten ruckartig zum Tor. Ein Mann, der Turban, Weste und Seidenhose in Rot trug, die typische Kleidung der Nordinder, war neben dem eisernen Tor erschienen und stieß markerschütternde Schreie aus. Bevor wir verstanden, was hier vor sich ging und reagieren konnten, zog der Mann ein langes massives Schwert aus seiner Bauchbinde, schwenkte es über dem Kopf und marschierte den Gang entlang. Ich verstand die Worte nicht, die er nun schrie, aber er starrte mich unverwandt an, während er auf mich zukam, und ich wusste genau, was er vorhatte. Er wollte mich angreifen. Er wollte mich töten.
    Die anderen Männer neben mir drückten sich instinktiv mit dem Rücken an die Wand, und die Stehenden Babas machten dem Irren den Weg frei. Die Tür hinter

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