Shaos Todeswelt
neu.«
»Frau?« fragte ich.
»Ja, das müssten Sie doch sehen. Sie bewegt sich wie eine Frau. Das kann kein Mann sein.«
»Ist es auch nicht«, meldete sich Suko, der seinen Arm anhob und sich sehr schwer dabei tat. Den rechten Zeigefinger streckte er aus und wies auf den Bildschirm. »Nein, das ist kein Mann, das ist sie, John. Du weißt auch Bescheid?«
Ich schaute noch einmal konzentriert hin. Eine Theorie hatte sich vorhin in meinem Gehirn festgebacken, die sich jetzt allerdings verfestigte. Zugleich mit dem Wissen kam die Furcht. Dieses Unbehagen breitete sich in meinem gesamten Körper aus und klemmte mir auch die Kehle zu.
Die erste Person war die virtuelle Shao.
Die zweite nicht. Sie trat auch nicht als Shao auf, wie wir sie normalerweise kannten, nein, sie war wieder zu dem Phantom mit der Armbrust geworden…
***
Von nun an war alles anders. Keiner wusste mehr Bescheid. Zumindest galt das für Suko und mich.
Mein Freund glotzte förmlich den Schirm an wie jemand, der das nicht einsehen wollte, was er geboten bekam. Dabei schüttelte er einige Male den Kopf. Den Mund hielt er offen, doch er sagte kein Wort.
Dafür meldete sich Cheng. »Ich fasse es nicht!« ächzte er. »Verdammt noch mal, was ist da geschehen?« Er wiederholte die letzte Frage mehrmals, und das war Suko zuviel.
Es war selten, dass Suko einmal die Beherrschung verlor. Zumindest konnte ich mich daran nicht erinnern. Das änderte sich in diesem Augenblick. Auf seinem Stuhl fuhr er herum, und blitzartig schnellten die Arme vor. Die Hände bekamen Cheng zu packen. Finger bohrten sich in den feinen Stoff des Hemds. Suko schüttelte den Mann durch, der zu einem Bündel geworden war und plötzlich Knochen aus Gummi bekommen hatte. Er kreischte nicht, er beherrschte sich, und es war Suko, der die Fragen stellte und Cheng dabei gegen die Rückenlehne presste. »Okay, und jetzt will ich von Ihnen hören, was das zu bedeuten hat.«
»Kann nichts sagen…«
»Doch, Sie müssen. Sie sind der Chef.«
»Ich weiß es doch auch nicht.«
»Aber Sie haben…«
Ich stand auf und meldete mich, bevor Suko den Satz noch zu Ende bringen konnte. »Nein, hör auf. Er weiß es nicht. Ich glaube es einfach nicht.«
Suko schaute mich an. Cheng aber ließ er nicht los. »Was macht dich denn so sicher?«
»Ich habe ihn beobachtet.«
Suko saugte die Luft durch die Nase ein. Dann stöhnte er auf und ließ Cheng los, der zusammensackte. »Wenn du das so sagst, John, muss es noch eine andere Lösung geben.«
»Bestimmt.«
»Dann sag mir, welche das ist!« fuhr er mich an.
Ich winkte mit beiden Händen ab. »Langsam, Suko, langsam. Ich weiß, wie es in dir aussieht. Es ist ganz natürlich, dass du den Faden zur Realität verloren hast, aber wir können mehr erfahren, wenn wir wollen. Es ist alles logisch.«
»Und wie?«
Diese Frage bewies mir, dass er ziemlich durcheinander war. Sonst wäre er schon selbst auf die Lösung gekommen. Aber das Geschehen hatte ihn innerlich zu stark aufgewühlt. Immer wieder schaute er auf den Bildschirm, ohne dort jedoch eine Veränderung zu erleben.
Cheng saß zwar noch auf seinem Stuhl, aber er wirkte dort wie platt gewalzt. Sein Blick war nach innen gerichtet, als wollte er seinen inneren Zustand ausforschen.
Ich brauchte mein Handy nicht erst hervorzuholen. Ein Telefon stand auf einem kleinen Beistelltisch. Die Nummer hatte ich rasch gewählt. Wenn Shao in der Wohnung war, dann würde sie auch abheben. Wenn nicht, war sie tatsächlich in dieses Spiel hineingeholt worden oder einfach unterwegs, um etwas zu besorgen. Diese Möglichkeit bestand auch.
Während es tutete, dachte ich darüber nach, ob es tatsächlich möglich war, durch irgendeine Kraft zwei völlig verschiedene Welten miteinander zu verbinden. Die normale und die virtuelle, die zwei verschiedene Ebenen waren, aber es konnte eine Brücke entstanden sein, so dass sich die Personen der verschiedenen Ebenen gegenseitig besuchten.
»Sie ist nicht da, wie?« fragte Suko, der seinen Blick nicht von mir wenden konnte.
»Zumindest hebt niemand ab«, erklärte ich.
»Dann ist die echte Shao doch im Spiel gefangen!« flüsterte er, den Monitor dabei anstarrend.
»Es muss nicht sein, Suko. Sie kann auch einkaufen gegangen sein. Etwas völlig Normales in dieser verrückten Welt.«
»Glaubst du das wirklich, John?«
Ich wiegte den Kopf. »Sagen wir so, ich schließe es nicht aus.«
Suko lachte mich an und winkte dabei ab. »Noch etwas, John. Was ist mit Glenda
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