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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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er, daß die Mauer keineswegs gerade verlief und daß sie vor dem Blick von unten stellenweise durch Felsen verborgen wurde. Die Ausfallpforte lag wohl an einem schrägen Winkel der Mauer – wo sie zweifellos mit Absicht angebracht worden war –, denn er konnte sie auch jetzt nicht sehen, obgleich er nun wußte, wo er sie zu suchen hatte. Im Weitergehen fragte er sich, zu welchem ungewöhnlichen Zweck sie angelegt worden sein mochte, und verfluchte die schlimme Schicksalswende, die sie herbeigeführt hatte, da erbückte er einen Mann, der von Süden her die Straße heraufkam. Er wartete; der Mann kam näher, und Kelderek sah, daß er bewaffnet war und den roten Stab des Heereskuriers trug. Da war endlich die Gelegenheit, eine Nachricht zurück in die Stadt zu schicken.
    Nun erkannte er in dem Mann einen Ortelganer, der beträchtlich älter war als er selbst, ein Pfeilmachermeister, der früher im Dienst von Ta-Kominions Familie gestanden hatte. Es war erstaunlich, daß er bei seinem Alter aktiv im Kriegsdienst stand, aber wahrscheinlich tat er das freiwillig. Früher hatten die ortelganischen Jungen seinen Namen, Kavass, in »Alter Arschlecker« umgeändert wegen der besonderen Ehrerbietung und Hochachtung, mit der er stets seine Vorgesetzten behandelte. Er war ein hervorragender Handwerker und ein aufreizend kindischer, schlichter und ehrlicher Mann, der mit richtiger Freude darauf bestand, daß seine Vorgesetzten (woher sie auch stammen mochten) alles besser wissen mußten als er und daß Vertrauen und Treue eines Mannes erste Pflichten waren. Als er nun den König erkannte, der zerzaust und allein auf der Straße stand, hob er sofort die Hand an die Stirn und ließ sich ohne das geringste Anzeichen von Überraschung auf ein Knie sinken. Zweifellos hätte er das auch getan, wenn er ihn mit Trepsis bekränzt und auf dem Kopf stehend angetroffen hätte.
    Kelderek ergriff seine Hand und zog ihn empor. »Du bist recht alt für einen Kurier, Kavass«, sagte er. »Konnte man keinen jüngeren Mann schicken?«
    »Ach, ich habe mich freiwillig gemeldet, Herr«, antwortete Kavass. »Diese jungen Burschen heutzutage sind nicht so verläßlich, und als ich fortging, war es ungewiß, ob ein Kurier überhaupt nach Bekla durchkommen könnte.«
    »Woher kommst du denn?«
    »Aus Lapan, Herr. Unsere Abteilung wurde am rechten Flügel von General Ged-la-Dans Armee abkommandiert, aber er mußte anscheinend in Eilmärschen vorgehen und nahm sich nicht die Zeit, uns mitzuteilen, wohin. Da sagt also der Hauptmann zu mir: ›Kavass‹, sagt er, ›da wir die Fühlung mit General Ged-la-Dan verloren und sichtlich eine offene Unke Flanke haben, soweit ich es sehen kann, gehst du am besten los und bringst uns Befehle aus Bekla. Frag, ob wir hierbleiben, zurückgehen oder was wir tun sollen.‹«
    »Richte ihm von mir aus, er soll gegen Thettit-Tonilda marschieren. Er soll sofort einen anderen Kurier dorthin schicken, um herauszufinden, wo General Ged-la-Dan sich befindet, und neue Befehle anfordern. Möglicherweise braucht ihn General Ged-la-Dan dringend.«
    »Nach Thettit-Tonilda? Sehr wohl, Herr.«
    »Nun höre, Kavass.« Kelderek erklärte ihm möglichst einfach, daß Shardik sowie ein aus Bekla entflohener Feind im Flachland in Freiheit seien und daß sofort ein Suchtrupp losziehen müsse, um den Flüchtigen zu suchen und ihn selbst bei seiner Aufgabe der Verfolgung des Bären abzulösen.
    »Sehr wohl, Herr«, sagte Kavass wieder. »Wohin sollen sie kommen?«
    »Ich werde unserem Herrn Shardik, so gut ich kann, folgen, bis sie mich finden. Ich glaube nicht, daß er schnell oder weit gehen wird. Ich werde gewiß aus einem Dorf eine weitere Nachricht schicken können.«
    »Sehr wohl, Herr.«
    »Noch etwas, Kavass. Ich muß mir leider dein Schwert und was du an Geld bei dir hast ausborgen. Sehr wahrscheinlich werde ich es brauchen. Ich muß auch die Kleidung mit dir tauschen, wie es im Märchen heißt, und dein Wams und die Kniehose anziehen. Diese Gewänder sind für die Verfolgung ungeeignet.«
    »Ich trage sie in die Stadt zurück, Herr. Meine Güte, werden die sich wundern, bis ich ihnen erzähle, was geschehen ist! Aber keine Sorge – du wirst unserem Herrn Shardik auf der Spur bleiben. Wenn es nur mehr solche gäbe, die ihm einfach vertrauen wie du und ich, Herr, und keine Fragen stellen, dann wäre es um die Welt besser bestellt.«
    »Ja, natürlich. Nun, sage ihnen also, sie sollen sich beeilen«, schloß Kelderek und machte sich

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