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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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schnell zu läuten. Er stieß auf einem weichen Bodenstück auf die Spuren des Bären und sah daneben zu seiner Verwunderung frisches Blut, obwohl die Spuren selbst nicht mehr blutig waren. Durch einen zufälligen Riß im Nebel erblickte er bald darauf Shardik wieder, fast einen Bogenschuß weit vor sich auf dem Hang, und bemerkte zwischen dessen Schultern den roten Riß der wieder aufgebrochenen Wunde.
    Das war wirklich Pech, es würde seine Aufgabe erschweren, und er überlegte dies, während er vorsichtig weiterging. Shardiks Wiederergreifung konnte nur mehr eine Zeitfrage sein, denn das Pfauentor und das Rote Tor der Zitadelle waren die einzigen Ausgänge aus der Oberstadt. Es war auch unwahrscheinlich, daß Elleroth, wo immer er sein mochte, imstande sein würde, die Mauern zu überklettern, da er nur eine Hand gebrauchen konnte. Nun wäre es wohl am besten, wenn er gefunden und, ohne gefangengenommen zu werden, getötet würde. Seine Schuld war so klar wie nur irgend möglich erwiesen. Hatte er nicht selbst von einer vorsätzlichen kriegerischen Handlung gesprochen? Als Flüchtling innerhalb der Mauern konnte er nicht lange in Freiheit bleiben. Zweifellos wurde er bereits von dem tüchtigen und verläßlichen Offizier Maltrit gesucht. Kelderek blickte um sich, um zu sehen, ob jemand in Rufweite war. Den ersten, den er zufällig traf, würde er zu Maltrit schicken mit dem Befehl, Elleroth, sobald er gefunden würde, sofort zu töten. Wenn aber die ihn suchende Mannschaft im Nebel Shardik fände? In seinem Zustand, geängstigt, verwirrt und erzürnt über die schmerzende Wunde, die ihm Mollo zugefügt hatte, würde der Bär lebensgefährlich sein – viel zu gefährlich für einen sofortigen Versuch, ihn wieder einzufangen. Die einzige Möglichkeit bestünde darin, das Vieh völlig aus der Oberstadt zu entfernen, ebenso alles andere, was ihm Nahrung bieten könnte, dann die Felsenhöhle offen und mit Köder versehen zu lassen und zu warten, bis der Hunger Shardik zur Rückkehr zwingen würde. Doch man konnte die göttliche Kraft nicht allein, unbewacht und unversorgt umherwandern lassen, während sich sein ganzes Volk vor ihm versteckte. Es mußte sichtbar werden, daß der Priesterkönig die Sache in der Hand hatte. Auch konnte sich Shardiks Zustand sehr wohl verschlimmern, ehe er in die Höhle zurückkam. In dieser ungewohnten Kälte könnte er sogar, verwundet und ohne Nahrung, auf den einsamen östlichen Höhen des Crandor, denen er zuzustreben schien, sterben. Man müßte ihn – Tag und Nacht – beobachten, eine Aufgabe, die kaum irgend jemandem, der noch in der Stadt geblieben war, verläßlich anvertraut werden konnte. Wenn sie durchgeführt werden sollte, würde der König ein Beispiel geben müssen. Und gerade seine Kenntnis von Shardik, von dessen Schlauheit und Wildheit, von dem Auf und Ab seines wütenden Zorns, machten ihm klar, wie groß die damit verbundene Gefahr war.
    Höher oben auf dem Abhang, wo das Weideland in das rauhe, felsige Gebirge überging, wurde die Luft etwas klarer, und als Kelderek sich umwandte, sah er unter sich den dichten Nebel, der die Stadt, außer den da und dort heraufragenden Türmen, verdeckte. Darunter verbreiteten sich, ohne daß man eine Menschenseele gesehen hätte, die Alarmgeräusche nah und fern, und als er lauschte, erkannte er, daß der Bär nach oben stieg, um diesem beängstigenden Tumult zu entgehen.
    Fast dreihundert Meter oberhalb von Bekla zog sich von der Spitze des Crandor ein Kamm nach Osten. Die Kontur der Stadtmauer lief die Felsspitzen und höchsten Stellen an der Bergflanke entlang und überragte den Osthang des Kammes, bevor sie nach Westen zum Roten Tor der Zitadelle kam. Es war ein wilder, überwachsener Ort, der dem Auge eines von unten Heraufkommenden wenig enthüllte. Kelderek schwitzte in der kalten Luft und schlug das schwere Gewand zurück, das ihn behinderte; er blieb unter dem Kamm stehen, lauschte und beobachtete das Dickicht, wo Shardik zwischen den Bäumen verschwunden war. Links verlief unweit von ihm die sechs Meter hohe Mauer, durch deren schmale Sehschlitze, welche die Aussicht auf den außen hegenden Abhang boten, da und dort der bewölkte Himmel weiß durchblinkte. Zu seiner Rechten plätscherte ein Bach aus einem Dickicht über eine Felsrinne hinunter. Es war gewiß kein Ort, wohin ein vernünftiger Mensch einem verwundeten Bären folgen würde.
    Außer den natürlichen Geräuschen in der Berglandschaft konnte Kelderek nichts

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