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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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der Fliehenden nach einem Ausweg ins Freie.
    In diesem schrecklichen Moment, als erst wenige sich durch die Türen hinausgekämpft hatten und Shardik noch wie ein menschenfressender Riese die Menge überragte, sprang Elleroth auf die Füße. Mit einem Griff erfaßte er das Schwert des Scharfrichters von der Bank vor sich und lief quer über den leeren, verlassenen Raum um den Bären, keinen Meter von ihm entfernt. Ein Dutzend zusammengedrängte, stoßende Menschen blockierten den Nordeingang zum Wandelgang, und durch sie bahnte er sich, schlagend und schiebend, den Weg. Kelderek lag noch an der Stelle, wo er sich, um dem stürzenden Pfosten zu entrinnen, hingeworfen hatte, und sah den schlagenden Schwertarm und die an Elleroths Seite hängende verbrannte Hand. Dann war der Verurteilte durch den Torbogen verschwunden, und die Menge schloß sich hinter ihm zusammen.
    Kelderek erhob sich auf die Knie und wurde gleich darauf zu Boden geworfen. Sein Kopf schlug auf dem Stein auf, und er wälzte sich, von dem Hieb betäubt, herum. Als er hochblickte, sah er Shardik, der sich mit Klauenhieben und Stößen den Weg zu der Tür bahnte, durch die Kelderek vor einer halben Stunde mit den Frauen in die Halle gekommen war. Schon lagen mehrere Menschen hinter dem Bären auf dem Boden, andere, zu beiden Seiten, kreischten hysterisch und traten einander mit Füßen, einige schlugen mit den Händen auf die Säulen oder versuchten, über die Ziegelwand zu klettern, die die Arkaden umgab.
    Shardik gelangte zum Ausgang und blickte hinaus, er glich auf groteske Weise einem zögernden Wandersmann, im Begriff, sich in einer stürmischen Nacht hinauszuwagen. In diesem Augenblick tauchte Elleroth kurz auf und rannte von links nach rechts am Eingang vorbei. Dann versperrte Shardiks mächtige Gestalt die gesamte Türöffnung, und als er hindurchging, ertönte dahinter ein einziger Schreckensschrei.
    Als Kelderek zur Tür kam, fiel ihm als erstes die Leiche des jungen Soldaten ins Auge, der am Morgen, als er die Treppe hinunterkam, zu ihm emporgestarrt hatte. Er lag auf dem Bauch, und aus seinem beinahe durchtrennten Hals floß ein Blutstrom über den Fußboden. Der Bär war durch die Blutlache geschritten, und seine blutigen Fußspuren führten zur Terrasse und über das Gras. Kelderek folgte ihnen in die Gärten, bis er Shardik, der aus dem dichten Nebel am Ufer auftauchte, fast unmittelbar gegenüberstand. Der Bär lief in schwerfälligem Galopp rund um das Westende des Hakensees, an Kelderek vorbei und verschwand über den dahinter emporführenden Hang.

Vierter Teil • Urtah und Kabin
    32. Die Ausfallpforte
     
    Man erzählt – ach, man erzählt vieles über Shardiks Verschwinden aus Bekla und darüber, wie er sich auf die dunkle Reise zu dem von Gott bestimmten, unerforschlichen Ziel machte. Vieles? Wie lange war er denn innerhalb von Beklas Mauern, unter dem Gipfel des Crandor, in Freiheit? Vielleicht so lange, wie eine Wolke in den Augen des Zuschauers braucht, um über den Himmel zu ziehen? Eine Wolke fliegt am Himmel, und einer sieht einen Drachen, ein anderer einen Löwen, wieder ein anderer eine Zitadelle mit Türmen oder ein blaues Vorgebirge mit Bäumen. Manche erzählen, was sie gesehen haben, und dann erzählen andere, was man ihnen erzählt hat – vieles. Sie erzählen, daß die Sonne finster wurde, als unser Herr Shardik entschwand, daß sich die Mauern Beklas von selbst öffneten, um ihn durchzulassen, daß die einstmals weiße Trepsis rot blüht seit dem Tage, da seine Fußabdrücke die Blüten blutig färbten. Man sagt, daß er Tränen vergossen habe, daß ein von den Toten auferstandener Krieger mit gezogenem Schwert vor ihm ging, daß er für alle außer für den König unsichtbar wurde. Man erzählt viel Glanzvolles. Und welchen Wert hat das Sandkorn im Herzen einer Perle?
    Shardik kämpfte sich durch den Nebel und zerstreute das erschrockene Vieh, wie ein seewärts eilender Bramba die kleineren Fische beim Durchqueren eines Teiches aufscheucht, verließ das Südufer des Hakensees und begann den Aufstieg über den stoppeligen Weidehang dahinter. Kelderek folgte ihm, dabei hörte er den hinter ihm sich über die ganze Stadt verbreitenden Tumult. Rechts von ihm ragte, undeutlich und zackig, der Palast der Barone empor, wie eine Insel mit hohen Felsen bei Einbruch der Nacht; und als er, der nicht wußte, welche Richtung Shardik eingeschlagen hatte, stehenblieb, begann von einem der Türme eine einzelne Glocke hell und

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