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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Augenblick an ist ihr Tod gewiß. Es kann höchstens einen Aufschub geben, aber der ist sehr selten – so gut wie unbekannt. Es mag vielleicht einmal in hundert Jahren vorkommen, daß das Opfer lebend aus den Streels kommt: dann rühren sie es nicht an, denn das ist ein Zeichen, daß Gott es geweiht hat und seinen Tod für einen besonderen, gesegneten und geheimnisvollen Zweck benutzen will. Vor langer, langer Zeit flüchtete ein Mädchen mit seinem Geliebten über die beklanische Ebene. Ihre zwei Brüder – harte, grausame Männer – folgten ihnen, sie wollten beide töten, und sie sah, daß ihr Geliebter Angst hatte. Sie war entschlossen, ihn zu retten, stahl sich nachts davon, überraschte ihre Brüder im Schlaf, und um ihres Geliebten willen blendete sie beide, da sie nicht wagte, sie zu töten. Später kam sie – wie, weiß ich nicht – allein nach Urtah, und dort wurde sie erstochen und in den Streel geworfen. In der Nacht kletterte sie, obwohl schwer verletzt, lebend heraus. Man ließ sie fort, und sie starb bei der Geburt eines Sohnes. Dieser Knabe war der Held U-Deparioth, der Befreier von Yelda und der erste Statthalter von Sarkid.«
    »Und deshalb weiß Elleroth das, was du mir erzählt hast?«
    »Er muß es wissen und auch noch anderes mehr, denn das Haus von Sarkid wurde seit damals bis heute von den Priestern Urtahs ausgezeichnet. Er hat sicher Nachricht von allem erhalten, was sich mit unserem Herrn Shardik und mit dir in Urtah zugetragen hat.«
    »Wie kommt es, daß ich in Bekla nie etwas von den Streels gehört habe? Ich wußte vieles, denn es wurden Männer dafür bezahlt, mir alles zu berichten; doch davon erfuhr ich nie etwas.«
    »Nur wenige wissen davon, und keiner von ihnen würde es dir sagen.«
    »Du hast es mir aber gesagt!«
    Sie begann wieder zu weinen. »Nun glaube ich, was Elleroth mir in Kabin gesagt hat. Ich weiß, warum seine Leute unserem Herrn Shardik nichts antaten und warum er auch dich verschonte. Zweifellos wurde ihm nicht berichtet, daß du selbst nicht im Streel warst. Er bestand darauf, daß dein Leben geschont werden müsse, denn wenn er wußte, daß unser Herr Shardik – und du, wie er annahm – lebend aus den Streels gekommen war, wußte er auch, daß keinem von euch beiden etwas getan werden durfte. Das wäre gotteslästerlich. Shardiks Tod ist von Gott bestimmt, und er kommt gewiß – gewiß!« Sie schien vor Gram erschöpft.
    Kelderek faßte ihre Hand.
    »Aber, Saiyett, unser Herr Shardik hat sich keiner Missetat schuldig gemacht.«
    Sie hob den Kopf und starrte über die trostlosen Wälder hinaus.
    »Shardik hat nichts Böses getan.« Sie wandte sich um und blickte ihm in die Augen. »Shardik – nein: Shardik hat nichts Böses getan!«
     

42. Der Weg nach Zeray
     
    Wohin der Weg führte, wußte er nicht, nicht einmal, ob er noch ostwärts verlief, denn nun waren die Bäume dicht belaubt, und sie folgten dem Weg im Halbdunkel unter einem geschlossenen Dach von Zweigen. Mehrmals war er versucht, den kaum erkennbaren Pfad zu verlassen und einfach bergab zu gehen, einen Wasserlauf zu suchen und ihm zu folgen – ein alter Jägertrick, der einen, wie er wußte, oft zu einer Siedlung oder einem Dorf führt, wenn auch manchmal unter Schwierigkeiten. Er merkte aber, daß die Tuginda einem solchen Marsch nicht gewachsen wäre. Seit sie aufgebrochen waren, hatte sie wenig gesprochen und war, so schien es ihm, gegangen, als strebe sie ihrem Ziel nur widerwillig zu. Noch nie war sie ihm so bedrückt erschienen. Er erinnerte sich, wie sie sogar auf der Gelter Straße fest und entschlossen den Hügel hinabgestiegen war, offenbar unberührt von ihrer schändlichen Verhaftung durch Ta-Kominion. Damals, meinte er, vertraute sie auf Gott. Sie wußte, daß Gott sich leisten konnte zu warten, und deshalb konnte sie es auch. Sogar noch bevor er Shardik auf Kosten von Rantzays Leben in den Käfig gesperrt hatte, wußte die Tuginda, daß die Zeit kommen würde, da sie von neuem berufen würde, der Kraft Gottes zu folgen. Sie hatte, als er kam, den Tag von Shardiks Befreiung aus der Gefangenschaft erkannt. Was sie nicht vorhersah, war Urtah – die verhängte Strafe für den blutigen Tiergott der Ortelganer, in dessen Namen seine Anhänger –.
    Diese Gedanken waren für ihn unerträglich, er riß den Kopf hoch, schlug sich mit einer Hand an die Stirn und peitschte die Büsche mit seinem Stock. Die Tuginda schien seinen jähen Wutausbruch nicht zu bemerken, sie ging langsam mit zu

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