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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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der ihn, mit dem kleinen Mädchen in den Armen, anblickte. Die Kleine wandte sich ab und verbarg ihr Gesicht, der Junge legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    Nach einer Weile wurde es klar, daß der Sklavenhändler ihn durch Anstarren aus der Fassung bringen und ohne ein Wort oder einen Schlag gefügig machen wollte. Der Junge erwiderte seinen Blick verkrampft und vorsichtig, dann sagte er auf beklanisch mit einem starken Yeldashay-Akzent: »Sie ist nicht stark genug, um das noch lange auszuhalten, und du hast keinen Vorteil davon, wenn sie stirbt. Warum läßt du sie nicht vor dem nächsten Dorf zurück?«
    Der Händler zog sein Messer. Als dann der Junge immer noch auf eine Antwort wartete, holte er ein eisernes Ding aus dem Gürtel, das aus zwei Halbkreisen bestand, die an beiden Enden mit stumpfen Stacheln versehen und durch einen kurzen Steg verbunden waren. Der Junge zögerte kurz, dann senkte er den Blick, preßte die Lippen zusammen und ging, immer noch mit der Kleinen in den Armen, zu den anderen Kindern hinüber.
    Im selben Moment kam ein finster blickender Junge, etwas älter als die anderen, der auf einem Auge schielte und ein Muttermal im Gesicht hatte, auf Kelderek zugelaufen. Er trug eine zerrissene Lederjacke und einen armlangen, biegsamen Stock in der Hand.
    »Vorwärts, du auch!« sagte der Junge in einer Art wütendem Bellen, wie ein Bauer, der mit einem Stück Vieh flucht, über das er sich ärgert: »Aufstehen, vorwärts!«
    Kelderek erhob sich und blickte auf den Jungen nieder.
    »Was willst du von mir?« fragte er.
    »Keine freche Widerrede!« schrie der Junge und hob den Stock. »Geh dort hinüber, und beeil dich!«
    Kelderek zog die Schultern hoch und ging langsam zu der Kindergruppe am anderen Ende der Lichtung. Es mußten etwa zwanzig oder fünfundzwanzig Knaben verschiedenen Alters sein, zwischen neun oder zehn und vierzehn Jahren, soviel er sehen konnte, aber sicher war er dessen nicht, denn sie waren in einer schrecklichen Verfassung und sahen um so viel jämmerlicher aus als selbst die ärmsten Kinder, die er jemals in Bekla oder Ortelga gesehen hatte. Sie strömten höchst unangenehme Ausdünstungen aus, und über ihren Köpfen flog eine Wolke von Fliegen umher. Ein Knabe hustete dauernd, an einen Baumstumpf gelehnt, und krümmte sich zusammen, dabei strömte ein schleimiger, ruhrartiger Ausfluß an der Innenseite seiner Beine hinunter. Eine Fliege setzte sich auf sein Ohr, und er schlug darauf. Kelderek sah, daß das Ohrläppchen ein ausgefranstes Loch aufwies. Er bückte ein anderes Kind an: auch dessen Ohr war durchbohrt. Verwundert bemerkte er, daß auch bei allen anderen Kindern das rechte Ohrläppchen durchbohrt war.
    Der Sklavenhändler, der nun seinen Tornister sowie einen schweren Bogen an dessen Seite trug, ging an ihm vorbei zur Spitze der Gruppe. Dort wartete ein zweiter Junge. Auch der trug, wie der, welcher Kelderek angeschrien hatte, einen Stock und eine Lederjacke. Vierschrötig und klein gewachsen, glich er eher einem Zwerg als einem Kind. Sein Rücken war irgendwie verkrümmt, und sein langes Haar bedeckte seine Schultern, vielleicht um seine Mißgestalt zu verbergen. Als sich die Kinder, dem Händler folgend, mühsam vorwärts schleppten, bemerkte Kelderek, daß alle beim Vorbeigehen an dem zwergenhaften Jungen die Augen senkten. Der starrte jeden an, neigte sich mit angespanntem Körper und leicht gebeugten Knien zu ihnen vor, als könne er sich kaum beherrschen und müsse hinspringen und auf sie einschlagen. Kelderek spürte eine Berührung an seinem Rücken, drehte sich um und begegnete dem Blick des hochgewachsenen Jungen, der das kleine Mädchen wie einen Sack über der Schulter trug und sie an den Fußgelenken hielt.
    »Gib acht, daß du Bled beim Vorbeigehen nicht ansiehst«, flüsterte der Junge. »Wenn er deine Augen sieht, geht er auf dich los.« Als Kelderek dann verwundert die Stirn runzelte, fügte er hinzu: »Er ist verrückt, oder fast verrückt.«
    Mit abgewandtem Kopf gingen sie an dem Buckligen vorbei und folgten den sich mühsam dahinschleppenden Kindern in den Wald. Das Marschtempo war so langsam, daß Kelderek jedesmal, wenn seine Kette hängenblieb, Zeit hatte, sich zu bücken und sie loszumachen. Nach kurzer Zeit flüsterte der Junge wieder: »Es ist leichter, wenn du genau hinter dem vor dir gehenden Jungen gehst und deine Füße unmittelbar hintereinander aufsetzt. Dann verfängt sich die Kette nicht so leicht.«
    »Wer ist dieser Mann?«

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