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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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neuen Angriffs zusammen. Sonst wäre er wahrscheinlich aus Schwäche und Übelkeit, verursacht durch die Wunde unter seinem Nagel, zusammengebrochen.
    Was für ein Mann mochte das sein? Nach seiner Kleidung zu schließen und der Kenntnis der ortelganischen Sprache, schien es wenig glaubhaft, daß es sich um einen Soldaten der Truppe aus Yeldashay handelte. Wodurch war es zu erklären, daß er sich die Mühe gemacht hatte, ihn in einer einsamen Gegend aus dem Sumpf zu retten, einen mittellosen Fremdling, den er schon beraubt hatte? Kelderek saugte an seinem Finger, unter dessen abgelöstem Nagel Blut hervorsickerte. Wenn der Mann irrsinnig war – und warum nicht, jenseits des Vrakos? Was war denn Ruvit gewesen? –, mußte man wachsam bleiben und auf eine Gelegenheit warten, die sich vielleicht bieten würde. Aber die Kette würde eine schwere Behinderung bedeuten, und der Mann selbst war trotz seines kleinen Wuchses sichtlich ein höchst widerwärtiger Gegner.
    Er hörte Stimmen und blickte hoch. Sie konnten nicht weit gegangen sein – vielleicht nur einen Bogenschuß weit von dem Bach. Der Boden war noch schlammig und der Wald dicht. Vorne lag eine Lichtung zwischen den Bäumen, und dort konnte er Menschen erkennen, die umhergingen, obwohl er kein Feuer oder ein anderes Anzeichen eines Lagers erblickte. Der Mann stieß einen einzelnen, unartikulierten Ruf aus – eine Art Bellen –, wartete aber nicht auf Antwort, sondern führte ihn bloß weiter wie zuvor. Sie hatten die Lichtung erreicht, als Kelderek wieder über die Kette stolperte und zu Boden fiel. Der Mann ließ ihn liegen, wo er gestürzt war, und ging weiter.
    Schwer atmend und mit Schlamm bedeckt, wälzte sich Kelderek herum und blickte von der Stelle, wo er lag, seitlich nach oben. Er bemerkte sofort eine beträchtliche Menschenansammlung und erschrak bei dem Gedanken, daß er vielleicht wieder den Truppen aus Yeldashay in die Hände gefallen war, setzte sich auf und starrte um sich.
    Von dem Mann abgesehen, der nicht weit von ihm saß und in einem Ledertornister kramte, gab es auf der Lichtung nur Kinder. Keines schien über dreizehn oder vierzehn Jahre alt zu sein. Ein Junge starrte Kelderek an, er hatte eine Hasenscharte und Wunden am Kinn, sein Blick war leer, schläfrig, als sei er eben erst erwacht. Etwas weiter entfernt bückte ein Knabe mit dauernd zuckendem Kopf, weit aufgerissenen Augen und vor Schreck aufgesperrtem Mund herüber. Als Kelderek sich umsah, merkte er, daß viele der Kinder verunstaltet oder irgendwie entstellt waren. Alle waren mager und schmutzig und sahen teilnahmslos und ungesund aus, wie halbverhungerte Katzen auf einem Müllabladeplatz. Fast alle waren, wie er, mit Ketten an den Knöcheln gefesselt. Von den zwei Jungen, die nicht gefesselt waren, hatte der eine ein gelähmtes Bein, während über den Knöcheln des anderen die aufgesprungenen Striemen, welche die abgenommenen Beinschellen hinterlassen hatten, voller eitriger Wunden waren. Die Kinder saßen oder lagen stumm auf dem Boden, eines schlief, eines hockte dort und entleerte sich, eines zitterte dauernd, eines suchte das Gras nach Insekten ab und verzehrte sie. Sie verliehen der in grünlichem Licht liegenden Stelle ein unheimliches Aussehen, als wäre sie ein Weiher und die Kinder Fische in einer stummen Welt, in der sich jeder nur um Selbsterhaltung kümmerte und die anderen nicht mehr beachtete, als unbedingt erforderlich war.
    Der Mann mußte also ein Sklavenhändler sein, der Kinder verkaufte. Die Zahl der im beklanischen Reich dazu Berechtigten war festgelegt worden. Nach Erkundigungen, welche die Provinzgouverneure einzogen, erhielt jeder einzelne von Kelderek die Genehmigung zum Kauf bestimmter Kontingente zu anerkannten Preisen an bestimmten Orten, durfte jedoch an demselben Ort erst nach Ablauf einer bestimmten Frist neue Einkäufe tätigen. Die Händler arbeiteten durch Vermittlung der Provinzgouverneure und unter deren Schutz, mußten sich ihnen gegenüber jedoch verpflichten, nicht mehr als ihr Kontingent zu nehmen und die anerkannten Preise zu bezahlen; dafür erhielten sie, wo es nötig war, bewaffnete Eskorten für ihre Reise zu den Märkten in Bekla, Dari-Paltesh oder Thettit-Tonilda. Wahrscheinlich war dieser Mann mit einer Gruppe Kindersklaven, die für Bekla bestimmt waren, durch den Vormarsch der Truppen aus Yeldashay abgeschnitten worden und hatte angesichts des Wertes seiner Gefangenen beschlossen, sie nicht aufzugeben, sondern mit ihnen

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