Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
Vom Netzwerk:
lag. Auf seiner anderen, dem Ufer zugewandten Seite saß ein Mann und beobachtete ihn. Als Keldereks Blick dem des Mannes begegnete, sprach der nicht, sondern starrte ihn nur weiter an. Er war abgerissen und schmutzig, hatte struppiges sandfarbenes Haar und einen etwas dunkleren Bart, schwere Lider und eine weiße Narbe seitlich am Kinn. Sein Mund war leicht geöffnet, was ihm ein nachdenkliches Aussehen verlieh und seine verfärbten Zähne zeigte. In einer Hand hielt er ein Messer, mit dessen Spitze er immer wieder spielerisch über die Fingerspitzen der anderen Hand strich.
    Kelderek lächelte und stützte sich trotz des stechenden Schmerzes zwischen seinen Augen auf seine Ellbogen. Er spie Schlamm aus und sagte mit einiger Mühe auf beklanisch:
    »Wenn du mich hier herausgeschleppt und mir den Kopf verbunden hast, danke ich dir. Du wirst mir das Leben gerettet haben.«
    Der andere nickte zweimal ganz leicht, ließ aber weiter nicht erkennen, daß er gehört hatte. Sein Blick blieb zwar auf Kelderek gerichtet, doch seine Aufmerksamkeit schien sich darauf zu beschränken, daß er die Messerspitze rhythmisch nacheinander auf seine Fingerspitzen drückte.
    »Dann ist der Bär also fort«, sagte Kelderek. »Wie kommst du hierher? Bist du auf der Jagd oder auf Reisen unterwegs?«
    Der Mann antwortete noch immer nicht, und es fiel Kelderek ein, daß er diesseits des Vrakos war; er fluchte seiner Narrheit, weil er Fragen stellte. Er war immer noch schwach und benommen, aber vielleicht würde das vergehen, wenn er auf den Beinen war. Am besten wäre es, vor Sonnenuntergang zurück nach Lak zu gehen und festzustellen, inwieweit er nach einer Mahlzeit und einer durchschlafenen Nacht wieder auf dem Damm war. Er streckte eine Hand aus und sagte: »Würdest du mir bitte auf die Beine helfen?«
    Nach einer Weile sagte der Mann, ohne sich zu rühren, in gebrochenem, aber verständlichem Ortelganisch: »Du bist weit entfernt von deiner Insel, nicht wahr?«
    »Woher weißt du, daß ich ein Ortelganer bin?« fragte Kelderek.
    »Weit entfernt«, wiederholte der Mann.
    Nun dachte Kelderek an den Beutel, in dem er das Geld bei sich trug, das er aus Zeray mitgenommen hatte. Er war fort, ebenso wie sein Proviant und sein Messer. Das überraschte ihn nicht besonders, wohl aber etwas anderes. Warum hatte ihn der Mann, wenn er ihn beraubt hatte, aus dem Bach gezogen und seinen Kopf verbunden? Warum war er hier geblieben, um bei ihm zu wachen, und warum sprach er, der sichtlich nicht Ortelganer war, mit ihm Ortelganisch? Er sagte wieder, diesmal auf ortelganisch: »Willst du mir auf die Beine helfen?«
    »Ja, steh auf«, sagte der Mann auf beklanisch, als antworte er auf eine andere Frage. Sein vorher halbes Interesse schien unmittelbarer zu werden, und er beugte sich lebhaft vor.
    Kelderek stützte sich auf eine Hand, zog langsam sein linkes Bein hoch und spürte ein plötzliches Zerren am rechten Fußgelenk. Er blickte hin. Seine Fußgelenke waren mit Schellen gefesselt und durch eine dünne Kette, ungefähr von Unterarmlänge, miteinander verbunden.
    »Was soll das heißen?« fragte er plötzlich erschrocken.
    »Steh auf«, sagte der Mann wieder. Er erhob sich und machte mit dem blanken Messer in der Hand ein paar Schritte auf Kelderek zu.
    Kelderek erhob sich auf die Knie und dann auf die Füße, wäre aber hingefallen, wenn der Mann ihn nicht am Arm gefaßt hätte. Er war kleiner als Kelderek, krummbeinig und blickte mit stoßbereitem Messer zu ihm hoch.
    »Dort hinüber«, sagte er auf ortelganisch.
    »Warte«, sagte Kelderek. »Einen Augenblick. Sag mir – «
    Während er sprach, ergriff der Mann Keldereks linke Hand und stieß ihm die Messerspitze unter einen Fingernagel. Kelderek schrie auf und riß seine Hand zurück.
    »Dort hinüber«, sagte der Mann mit einer neuerlichen Kopfbewegung und fuchtelte mit dem Messer vor Keldereks Gesicht hin und her, so daß dieser zuerst auf der einen, dann auf der anderen Seite zuckte.
    Kelderek wandte sich um und begann, mit der Hand des Mannes auf seiner Schulter, durch den Schlamm zu stolpern. Bei jedem Schritt spannte sich die Kette zwischen seinen Knöcheln und verkürzte seine natürliche Schrittlänge. Er strauchelte mehrmals und verfiel schließlich in eine Art schleppenden Gang, wobei er auf Bodenerhöhungen achtete, über die er fallen könnte. Der Mann schritt neben ihm und pfiff irgendwie tonlos durch die Zähne; wenn er gelegentlich stärker pfiff, zuckte Kelderek in Erwartung eines

Weitere Kostenlose Bücher