Shardik
ein Kind. Er sagte: ›Ich habe einen Stern gefunden. Wer wird mir glauben, daß ich einen Stern gefunden habe?‹ Dann sagte er: ›Ich werde nur zu der Tuginda sprechen.‹ Darauf bedrohte ich ihn mit einem erhitzten Messer, aber er antwortete nur: ›Es muß sein, wie Gott will.‹ Und dann, eben in jenem Augenblick, kam deine Botschaft, Saiyett. ›Also‹, dachte ich, ›da dieser Mann gesagt hat, er werde nur zu dir sprechen – wer hat das je von einem Mann gehört? –, nehmen wir ihn beim Wort, und sei es nur, um ihn zum Sprechen zu bringen. Am besten kommt er auch mit nach Quiso – um hier zu sterben, nehme ich an, und daran ist er selbst schuld.‹ Und dann setzt er sich auf den Terethstein, Gott helfe uns! Und wir finden ihn allein mit dir zusammen. Wie soll er noch zurück nach Ortelga? Er muß sterben.«
»Das habe ich zu entscheiden, solange er in Quiso ist. Du siehst viel, Baron, und du bewachst das Volk wie ein Adler seine Brut. Du hast diesen Jäger gesehen und bist zornig und verdächtigst ihn, weil er dir getrotzt hat. Hast du aus deinem Horst auf Ortelga sonst nichts in den letzten zwei Tagen gesehen?«
Bel-ka-Trazet ärgerte sich offensichtlich über diese Befragung, antwortete aber dennoch recht höflich:
»Den Brand, Saiyett. Es gab einen großen Brand.«
»Meilenweit hat der Dschungel jenseits des Telthearnas gebrannt. Gestern regnete es den ganzen Tag Asche auf Quiso. In der Nacht kamen vom Fluß Tiere an Land – manche Arten, die wir hier noch nie gesehen haben. Ein Makati kommt zahm wie eine Katze zu Melathys und bettelt um Nahrung. Sie füttert ihn, folgt ihm dann zum Wasser und findet eine grüne Schlange um den Terethstein geringelt. Was bedeuten diese Vorboten? Bei Morgengrauen verließ die Quelle oben in der Schlucht ihr Bett und stürzte über die Terrassen herab; doch unten sammelte sie sich wieder, floß zurück und richtete keinen Schaden an. Warum? Warum wurden die Terrassen gewaschen, Baron? Für deine Füße oder für meine Füße? Oder war es für das Kommen anderer Füße? Was für Botschaften, was für Anzeichen waren das?«
Der Baron schob seine Zunge an dem ausgezackten Rand einer Lippe entlang und zupfte am Pelz seines Umhangs, antwortete aber nichts. Die Tuginda wandte ihr Gesicht dem Feuer zu. Sie saß ganz still da, die Hände auf dem Schoß, mit der Gelassenheit eines Baumes, wenn der Wind sich gelegt hat. Schließlich sagte sie:
»So sinne ich und bete und sammle das wenige an Weisheit, das ich im Laufe der Jahre gewonnen haben mag, denn ich weiß ebensowenig wie Melathys oder Rantzay oder die Mädchen, was diese Dinge bedeuten mögen. Schließlich schickte ich nach dir. Vielleicht, so scheint mir, bist du imstande, mir etwas zu erzählen, das du gesehen oder gehört hast. Vielleicht kannst du mir einen Anhaltspunkt geben.
Wie sollte ich ihn aber empfangen, wenn er kommt – er, den Gott zu senden beabsichtigt? Nicht mit Macht oder Pomp, nein, sondern als Dienerin. Was bin ich denn? Wenn er also kommen sollte, kleide ich mich wie die unwissende, arme Frau, als die Gott mich sieht. Ich weiß nichts, aber ich kann wenigstens eine Mahlzeit kochen. Und wenn die Mahlzeit fertig ist, gehe ich hinaus zum Tereth, um zu warten und zu beten.«
Sie verstummte wieder. Melathys murmelte:
»Vielleicht weiß der Großbaron mehr, als er uns erzählt hat.«
»Ich weiß nichts, Saiyett.«
»Aber mir wäre nie der Gedanke gekommen«, fuhr die Tuginda fort, »daß der Fremde, von dem ich wußte, daß er bei dir war…«
Sie brach ab und blickte durch den Raum zu Kelderek, der noch allein, vom Licht entfernt dort stand. »Nun, Jäger, du hieltest also vor dem erhitzten Messer des Großbarons daran fest, daß du eine Botschaft bringst, die einzig für meine Ohren bestimmt ist?«
»Das ist wahr, Saiyett«, antwortete er, »und es ist auch wahr, wie der Großbaron sagt, daß ich ein Mann ohne Rang bin – einer, der sein Leben als Jäger fristet. Doch ich wußte – und weiß es jetzt –, über jeden Zweifel oder Widerspruch hinaus, daß niemand vor dir diese Nachricht erfahren darf.«
»Dann erzähle mir, was du dem Shendron oder dem Großbaron nicht sagen konntest.«
Er begann, von seinem morgendlichen Jagdzug zu erzählen und von dem Unterholz, das voll von erschreckten, flüchtenden Tieren gewesen war. Dann berichtete er von dem Leoparden und von seinem tollkühnen Versuch, ihm zu entkommen und landeinwärts zu flüchten. Als er von seinem schlecht gezielten Pfeil
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