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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Theaterstück als wandernde Räuber auftreten. Vielleicht war das annähernd richtig, dachte Siristru, nur daß sie hier in keinem Theaterstück waren. Sie blieben stehen und starrten ihn, die Hände an den Hüften, von oben bis unten an. Dann spuckte der eine auf den Boden. Siristru erwiderte ihren Blick, überlegte, ob er lächeln und ihnen die Hand reichen sollte, verwarf beides und verneigte sich kühl. Darauf verneigte sich der Mann, der nicht gespuckt hatte, gleichfalls, legte eine gewaltige, schmutzige Hand auf des Fremden Schulter und sagte in einem, wie Siristru merkte, schauderhaften Beklanisch:
    »Ho, jo, jo! Mocht nichts! Mocht nichts!« Und dann mit starker Betonung und erhobenem Zeigefinger: »Du – mußt – zohlen!«
    Tan-Rion unterbrach ihn mit einem so schnellen, empörten Redeschwall, daß man ihm nicht folgen konnte. »Gesandte«, hörte Siristru. »Handelsmission – wichtige Ausländer – dürfen nicht beleidigt werden!« Und schließlich, langsamer und eindringlicher, so daß es völlig zu verstehen war: »Graf Kelderek wird euch bezahlen, wenn ihr darauf besteht. Ihr könnt mit uns hinüberkommen und mit ihm sprechen.«
    Darauf zogen die zwei Banditen die Schultern hoch und beratschlagten. Dann nickte einer und wies zum Fluß mit der Bemerkung: »Föhre beroit.« Sie gingen stromaufwärts voran, die Menge der Einheimischen folgte ihnen wie zuvor.
    Sie verließen den Ort und schritten wieder durch den leeren Sand, nun aber am Flußufer entlang. Siristru fiel es auf, wie unnatürlich gerade und regelmäßig die Wasserlinie war, und sah auch, daß der Uferrand nivelliert und fast wie eine Straße gepflastert worden war – an manchen Stellen mit Steinen und sonst mit dicken, runden Holzscheiten, die nebeneinandergelegt und in den Boden gestampft worden waren. Es gab darauf zahlreiche Abdrücke von Ochsenhufen. Er wies darauf, schüttelte den Kopf und lächelte Tan-Rion zu, um seine Verwunderung auszudrücken, doch dieser nickte nur und erwiderte das Lächeln.
    Sie gingen nicht sehr lange, bis sie ihren Bestimmungsort erreichten. Im stillen Wasser am Ufer lag ein flaches Floß aus schweren Baumstämmen mit einer Deckfläche aus Planken; es maß ungefähr dreieinhalb bis vier Meter im Quadrat und hatte auf der stromaufwärts gerichteten Seite einen spitzen Bug. Es gab keinerlei Geländer oder Brüstung, aber in der Mitte waren drei dicke Pfosten aufrecht in die Stämme gerammt und mit Holzstreben und rohen Eisenklammern befestigt. Auf jedem Pfosten war oben ein Eisenring mit Scharnier verbolzt, und durch alle drei lief ein starkes Seil über das Floß. Vom Heck lief es weiter zum Ufer, wo es an einer im Boden eingeschlagenen Eisenstange festgemacht war. Kurz vorher führte es aber durch eine Art Sperre oder Verschluß, in welchem es um mehrere freistehende Pflöcke festgehakt war. Eine Seitenwand des Verschlusses war offen, und drei Männer drehten mit aller Kraft den Pfosten im Inneren, um die Seilspannung zu verstärken. Siristru sah, wie das triefende Seil jenseits des Floßes nach und nach aus dem Wasser stieg und durch die Ringe zurücklief; da erkannte er mit einem leichten Schreck, daß es offensichtlich über den Fluß und stromabwärts bis zu dem auf dem anderen Ufer liegenden Zeray führte – seiner Schätzung nach kaum weniger als einen Kilometer weit. Von diesem Seil würde binnen kurzem ihr Leben abhängen. Das Floß würde hinübergezogen werden, wobei die Kraft der Strömung in einem sehr spitzen Winkel darauf drückte.
    Thyval zupfte an seinem Ärmel. »Verzeiht, Herr, wollen die uns auf dem Ding hinüberbefördern?«
    Siristru blickte ihm ins Auge und nickte ein paarmal bedächtig und düster.
    »Die Pferde können das nicht überstehen, Herr, und es gibt auch gar keinen Platz für sie.«
    »Auch für ein Pferd nicht, was meinst du, Thyval? Diese Leute wissen gar nichts von Pferden, und ich würde gern möglichst mit einem ankommen.«
    »Nun, Herr, ich würde es mit einem allein riskieren, der Haken ist nur, wenn es stürmisch wird – und ich glaube, dort drüben sieht es nicht gut aus –, sind wir alle zusammengedrängt, und es gibt kein Geländer, gar nichts – «
    »Ja, ja, gewiß«, sagte Siristru hastig, die Schilderung war schon zuviel für seinen bereits zittrigen Magen. »Es wird am besten sein, wenn du mit mir kommst, Thyval, und auch Baraglat – du hast doch keine Angst, Baraglat, nicht wahr? –, nein, natürlich nicht, ein braver Junge, und die übrigen bleiben

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