Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
Vom Netzwerk:
ging, herzlich wenig. Die Sitten und Bräuche von halbzivilisierten Völkern waren gewiß bis zu einem bestimmten Grad interessant, aber damit hatte er sich als junger Mann ausreichend befaßt. Nun war er vor allem ein Lehrer, der die Schriften der Weisen studierte, vielleicht selbst ein Weiser würde – wenn er lange genug lebte. Gut und schön, der König hatte gesagt, es werde sein Schaden nicht sein. Aber er brauchte eigentlich nichts, was der König zu schenken hatte. Doch Luin war kein Mann, gegen den man ungefällig war, und es wäre gefährlich gewesen, durch Weigerung seine Wünsche zu durchkreuzen oder auch nur den Eindruck zu erwecken, daß man zögere.
    »Es macht mir nicht soviel aus, von Barbaren in Stücke gehauen zu werden«, sagte er laut und schlug mit seiner Peitsche gegen einen Dornbusch, »aber ich wehre mich gegen Langeweile« (Schlag), »Verdruß« (Schlag), »Eintönigkeit« (Schlag) »Habt Ihr gerufen, Herr?« fragte sein Diener, der von den Zelten auftauchte.
    »Nein, nein«, sagte Siristru hastig; er war eingeschüchtert wie immer, wenn ihn jemand bei einem Selbstgespräch überraschte. »Nein, nein, ich wollte nur nachsehen, ob du zum Abmarsch bereit bist, Thyval. Heute sollen wir zu dem Flußübergang kommen, ich glaube, das habe ich dir gesagt. Ich weiß nicht, wie weit es ist, würde aber lieber noch bei Tageslicht das andere Ufer erreichen, damit wir uns ein Urteil über die Stelle bilden können, bevor es dunkel wird.«
    »Ja, Herr, das wäre wohl richtig. Die Jungs packen eben ihre Sachen zusammen. Wie steht es mit der Stute? Soll ich sie zusammen mit den Maultieren führen lassen?«
    »Das wird sich nicht umgehen lassen, wenn sie noch lahmt«, antwortete Siristru. »Komm zu mir und sag es mir, sobald ihr bereit seid.«
    Tatsächlich kamen sie, nach einem kaum fünfstündigen Marsch, kurz vor der Mittagszeit am Ostufer an. Sie waren zuerst fast genau nördlich gezogen und hatten sich völlig von den Teichen und Wasserläufen am Südrand der Wüste entfernt, welche im breiten, trügerischen Flachland zwischen dem Ufer und dem jenseits liegenden Fluß lagen. Nachdem sich Tan-Rion vergeblich bemüht hatte, sich verständlich zu machen, nahm er schließlich einen Stock und zeichnete einen Plan auf den Boden. Zuerst wies er darauf, dann nach Südwesten über den Sand, und so gelang es ihm, Siristru und seinen Begleitern zu erklären, daß der Fluß in dieser Richtung eine große Biegung machte, so daß sein Lauf einen Viertelkreis um sie beschrieb und nicht nur südlich, sondern auch westlich von der Stelle verlief, wo sie sich im Augenblick befanden. Auf diesem Plan zeichnete er ein Stück oberhalb der Biegung eine Linie ein, um die Stelle ihrer beabsichtigten Überquerung zu markieren; dann zeigte er wieder nach Nordwesten, um zu erklären, in welcher Richtung diese Stelle lag.
    In dieser Gegend war das Frühjahr noch nicht in den Sommer übergegangen, es wurde aber dennoch bald heiß, und der Wind frischte genügend auf, um den Sand unangenehm umherzublasen. Siristru schleppte sich mühsam neben der lahmen Stute dahin, ließ den Kopf hängen, schloß halb die Augen und versuchte, während der Sand zwischen seinen Zähnen knirschte, an seine Metaphysikschüler in Zakalon zu denken. Man mußte die Vorteile der Lage wahrnehmen. Es gab wenigstens keinen Mangel an warmem Wasser, um den Sand fortzuwaschen. Tan-Rion war ausgezeichneter Laune bei der Aussicht auf Heimkehr und ließ seine Leute Yeldashayer Lieder singen. Das war gutes, lärmendes Zeug, aber nach Siristrus Geschmack kaum als Musik zu bezeichnen.
    Plötzlich bemerkte er – und freute sich, sie als erster gesehen zu haben, denn seine Augen waren nicht mehr die alten – in der Ferne Gestalten auf dem Sand. Er blieb stehen und blickte gespannt nach vorne. Das Land war noch immer Wüste, aber nicht mehr flach. Es gab Abhänge und lange, steile Dünen, auf denen die Schatten weißer Steine, regungslos und zeitlos, wie nur Wüstenhügel scheinen können, wie Flecken in der Sonne lagen. Links davon stand eine Hüttengruppe, eine Art schäbige Vorstadt, die neu und unfertig aussah; und dort waren die sich bewegenden Gestalten zu sehen. Dahinter fiel der Boden unsichtbar ab, und es schien eine Art zurückgestrahltes Glitzern in der Luft zu sein. Durch den noch weiter entfernten Dunst am Horizont – er blinzelte, konnte aber nicht besser sehen – tauchte undeutlich ein Grün auf, das vielleicht ein Wald sein mochte.
    Eine Stunde

Weitere Kostenlose Bücher