Shardik
Fortschritte mache. Tatsächlich scheinen jenseits des Varins vor allem zwei Sprachen gesprochen zu werden: die eine heißt Beklanisch, das in den nördlichen Teilen, die andere Yeldashay, das mehr im Süden gesprochen wird. Sie haben gewisse Ähnlichkeiten, aber ich konzentriere mich auf Beklanisch, in dem ich mich nun schon ein wenig verständigen kann. Sie verwenden die Schrift nur sehr selten, und es scheint meinen Instruktionsoffizier zu faszinieren, wenn ich seine Worte phonetisch aufschreibe. Er erzählt mir, es sei erst drei Jahre her, seit ein Bürgerkrieg zu Ende ging – er hatte etwas mit der Invasion Beklas durch einen fremden Stamm zu tun, der anscheinend Sklaverei betrieb –, aber ich gestehe, daß ich nicht alles verstehen konnte. Jetzt herrscht aber Frieden, und da sich die Beziehungen zwischen Norden und Süden gebessert haben, scheinen die Aussichten für die Entsendung von Gesandten zur Zeit recht günstig zu sein.
Heute werden wir – wenn ich richtig verstanden habe – tatsächlich den Varin überqueren und zu einer Stadt gelangen, von der aus wir zu Lande nach Bekla reisen können. Ich werde natürlich Eure Majestät weiter auf dem laufenden halten – «
Siristru, der Sohn Balkos, des Sohnes von Mereth von den Zwei Seen, Oberster Rat Ihrer Erhabenen Majestät König Luins von Zakalon, überflog den unvollendeten Brief, gab ihn dem Diener, er solle ihn zu dem übrigen Gepäck legen, und schritt hinaus zu den an einem von Gebüsch umsäumten Fleck angepflockten Pferden. Wie oder wann der Brief abgeliefert werden konnte, wußte der Himmel allein, aber es würde gut aussehen, wenn er ziemlich regelmäßig Aufzeichnungen notierte, die bewiesen, daß er ständig an den König und dessen Interessen dachte. Er hatte sich eine Erwähnung des gräßlichen Trinkwassers gestattet, jedoch nichts von seinem verdorbenen Magen und dem Durchfall gesagt, von dem er täglich fürchtete, er könne sich in Ruhr verwandeln. Ein diskreter Hinweis auf Ungemach würde eindrucksvoller sein als zu viele Einzelheiten. Er würde seine Blutblasen nicht erwähnen und schon gar nicht seine wachsende nervöse Furcht, je weiter sie von Zakalon in das unbekannte Land jenseits des Flusses reisten. Da er die Hoffnungen des Königs kannte, hatte er klug seinem Vertrauen zu den Handelsaussichten Ausdruck verliehen. Sie schienen nun tatsächlich beträchtlich zu sein, und sogar wenn sie sich schließlich anders erweisen sollten, könnte es nicht schaden, anfänglich Besseres erhofft zu haben. Trotzdem wünschte er, der König hätte nicht ihn zum Führer dieser Expedition ernannt. Er war kein Mann der Tat. Er war überrascht gewesen, daß man ihn gewählt hatte, und hatte sich, seine Befürchtungen als Bescheidenheit tarnend, nach den Gründen erkundigt.
»Nun, wir brauchen einen unvoreingenommenen, vorsichtigen Mann, Siristru«, hatte der König geantwortet und die Hand auf seinen Arm gelegt, als sie durch die lange Galerie gingen, von der man den Blick über die schöne Bienenterrasse genoß. »Auf keinen Fall möchte ich einen streitsüchtigen Soldaten oder einen habgierigen jungen Abenteurer schicken, der auf Profit aus ist und diese Ausländer aus der Fassung bringt, indem er sich alles anzueignen versucht. Auf diese Weise würde es von Anfang an böses Blut geben. Ich möchte einen gebildeten Mann ohne Gier nach persönlichem Gewinn hinschicken, jemanden, der imstande ist, die Lage objektiv zu beurteilen und mir die Wahrheit zu berichten. Tu das, und ich versichere dir, es wird dein Schaden nicht sein. Wie immer diese Menschen geartet sein mögen – die Dinge müssen so gehandhabt werden, daß sie uns vertrauen und respektieren können. Bei der Katze, sie haben ihre Leute weit genug geschickt, um uns zu finden!«
Und so hatte er, zum Bienengesumm in dem goldenen Stock, seine Ernennung angenommen.
Nun, das war soweit in Ordnung; und um dem König nicht unrecht zu tun – Luins Urteil war gerecht und klug; er war, gewissermaßen, ein guter König. Die Schwierigkeit war wie gewöhnlich, seinen ausgezeichneten Ideen die praktische Durchführung folgen zu lassen. Wenn es darauf ankam, wären streitsüchtige Soldaten und habgierige junge Abenteurer bei der Durchquerung der Wildnis und der Wüsten um so viel tüchtiger, hätten sich so viel weniger gefürchtet als ein achtundvierzigjähriger objektiver, vorsichtiger Ratgeber, ein Schulmann mit einem Hang zu Metaphysik und zum Studium der Ethik. Davon gab es dort, wohin er
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