Shardik
lernt man unwillkürlich ein wenig. Ja, es ist eine merkwürdige Stadt, tatsächlich. Ihr seid also der fremde Fürst, nicht wahr, der mit der Fähre gekommen ist? Ihr sollt uns allen Glück bringen – das sagt man uns. Meine ergebenste Hochachtung, Herr.«
Nun hatte Siristru schon gemerkt, daß sein Besucher eine Art Diener war – seinem Benehmen nach zu schließen, ein bevorzugter, aber doch einer, den man in seine Schranken weisen mußte, wenn er nicht allzu geschwätzig oder gar anmaßend werden sollte. Deshalb sagte er, ohne zu lächeln und geschäftsmäßig: »Hast du eine Botschaft für mich?«
»Ja, so ist es, Herr«, antwortete der Mann. »Ich heiße Ankray – ich diene dem Statthalter und seiner Gemahlin. Der Statthalter kam zwei Stunden nach der Mittagszeit aus Lak zurück und hörte, daß Ihr hier seid; also sagte er mir: ›Ankray‹, sagt er, ›wenn du zum Strand gehst, könntest du mir einen Sack voll von den dicken Blöken bringen, die man dort verwendet – die letzthin aus Toniida gekommen sind –, und auf dem Heimweg kannst du vielleicht zu dem fremden fürstlichen Herrn gehen und ihm sagen, ich werde ihn gern empfangen, wann immer es ihm paßt, zu mir zu kommen.‹ Wenn es Euch also genehm ist, Herr, könnt Ihr jetzt mit mir kommen, da Ihr den Weg nicht kennt, und ich werde Euch führen.«
»Jedenfalls scheint es dir zu passen«, sagte Siristru, unwillkürlich lächelnd.
»Wie bitte, Herr?«
»Schon gut«, sagte Siristru, der nun mit freundlicher Klugheit begriffen hatte, daß der Mann ein bißchen einfältig war. »Ich werde gleich bereit sein, mit dir zu kommen.«
Es war nicht die Art Einladung, die er von seiten des Statthalters erwartet hatte, aber das war nebensächlich, dachte er; dies war eine kleine Stadt, es gab hier nichts Wichtiges zu hören oder zu tun, die richtige Diplomatie würde später in den westlichen Städten kommen. Dessenungeachtet mußte man zu dem Statthalter höflich sein, der vielleicht sogar der Mann war, dem die Planung und der Bau der Fähre zu verdanken waren. Er seufzte in Gedanken an die wahrscheinliche Zahl solcher ihm bevorstehender Gespräche – ganz abgesehen von den Unbequemlichkeiten der Reise. König Luin hatte auf seine Weise den Philosophen Ehre erwiesen, indem er einen von ihnen aussandte, um sich über den Handel zu informieren. Aber nach des Königs Ansicht war es nicht der Handel, sondern Einfälle, die tatsächlich die Zivilisation förderten, und davon gab es wahrscheinlich in diesem Land ungefähr so viele wie Sterne in einem Tümpel. Er seufzte wieder, faltete den unvollendeten Brief an den König zusammen und steckte ihn ein; dann rief er Thyval, er solle ihm seinen schönen Mantel bringen und sich bereitmachen, ihn zum Hause des Statthalters zu begleiten.
Der Riese ging voran und plauderte leichthin in seinem schauderhaften Beklanisch, anscheinend völlig unbekümmert darum, ob Siristru ihn verstand oder nicht; er trug seinen schweren Sack so leicht, als wäre es der Kescher eines Fischers.
»Ach ja, Herr, diese Stadt hat sich gewaltig verändert. Der Baron pflegte immer zu sagen: ›Ankray‹, sagte er, ›wenn wir mal diese Fähre über den Fluß gebaut haben, wird sie uns eine Menge Fremde ins Land bringen, die holen werden, was sie finden können – ‹ Ihr entschuldigt doch, Herr. ›Die werden alles mögliche mitbringen, und das wird unseren Wohlstand gründen, merk dir das.‹ Natürlich wäre der Baron sicher ganz erstaunt, wenn er jetzt so viele Kinder hier sähe; aber ich mag sie gern, und es läßt sich nicht leugnen, daß sie oft alles mögliche richtig machen, sobald sie verstehen, worauf es ankommt. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber das sind eben diese neumodischen Ideen, versteht Ihr, vom Statthalter. Erst letzthin drüben am Strand – «
In diesem Augenblick merkten sie, daß ihnen eine Gruppe von etwa acht sehr jungen Kindern nachgelaufen kam und durch Rufe ihre Aufmerksamkeit zu wecken suchte. Zwei davon trugen dicke, schwere Blumenkränze. Siristru blieb erstaunt stehen, und die Kinder kamen keuchend angelaufen.
»U-Ankray«, sagte eines, ein dunkelhaariges, etwa zwölfjähriges Mädchen, und legte seine Hand in die des Riesen, »ist das der fremde Fürst – der Fürst, der über den Fluß kam?«
»Nun ja, das ist er«, antwortete Ankray, »und was soll’s? Er ist auf dem Weg zum Statthalter, also halte ihn jetzt nicht auf, mein Kind!«
Das Mädchen wandte sich an Siristru, hob die Hand an die
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