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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Steinmetze und Baumeister arbeiteten über hundert Jahre, um die Terrassen fertigzustellen. Die sie begannen, erlebten ihre Vollendung nicht. Und sie pflasterten die Ufer der Bucht darunter und bauten die Wohnungen für die Priesterinnen und die Frauen.«
    »Und Shardik, Saiyett? Wo wohnte der?«
    »Er wohnte nicht in einem Haus. Er ging, wohin er wollte. Er streifte frei umher – manchmal durch die Wälder, manchmal über die Terrassen. Aber die Priesterinnen suchten nach ihm, fütterten ihn und betreuten ihn. Das war ihr Geheimnis.«
    »Aber hat er nie Menschen getötet?«
    »Doch, manchmal tötete er – eine Priesterin beim Gesang, wenn es Gott so wollte, oder vielleicht einen allzu kecken Bittsteller, der ihm unvorsichtig begegnet war oder ihn auf irgendeine Art und Weise herausgefordert hatte. Er erkannte auch die Wahrheit im Herzen der Menschen und wußte, wenn einer insgeheim sein Feind war. Wenn er tötete, so tat er es aus eigenem Antrieb – wir veranlaßten ihn nie dazu. Eher war es unser Geheimnis und unsere Geschicklichkeit, ihn so zu führen, daß er es nicht tat. Die Tuginda und ihre Priesterinnen kamen zu Shardik und schliefen in seiner Nähe – das war ihre Kunst, das Wunder, dem Bekla sein Glück und seine Macht verdankte.«
    »Und erhielt er eine Gefährtin?«
    »Manchmal erhielt er eine Gefährtin, aber es mußte nicht sein. Es war eine Frage von Zeichen und Omen, wen Gott zum Shardik machte, es hing von Seinem Willen, nicht von den Absichten der Menschen ab. Manchmal wußte die Tuginda tatsächlich, daß sie Quiso verlassen und mit ihren Mädchen in die Hügel oder in die Wälder gehen mußte, um eine Gefährtin für Shardik zu suchen und mitzubringen. Er mochte aber auch leben, bis er zu sterben schien, dann zogen sie aus und fanden ihn wiedergeboren und brachten ihn heim.«
    »Wie?«
    »Sie hatten Methoden, die wir noch kennen – oder zu kennen hoffen, denn sie wurden lange nicht angewandt –, sowohl Drogen wie auch andere Kunstgriffe, mit deren Hilfe man ihn, wenn auch nur für kurze Zeit, unter Kontrolle halten konnte. Aber keine davon war unfehlbar. Wenn Gottes Kraft in Erdenform erscheint, kann sie nicht wie eine Kuh dahin und dorthin getrieben werden, wo würden sonst Wunder und Ehrfurcht bleiben? Bei Shardik gab es stets Ungewißheit, Gefahr und tödliches Risiko: und das wenigstens ist etwas, dessen man noch immer sicher sein kann. Shardik fordert uns alles ab, was wir haben, und wer so viel nicht aus freiem Willen zu bieten hat, dem mag er es wohl mit Gewalt nehmen.«
    Sie brach ab und starrte blicklos in das Dschungeldunkel, als erinnerte sie sich der Macht und Majestät des Shardik von den Terrassen und seiner einstigen Tuginda. Schließlich fragte Kelderek: »Aber – jene Tage nahmen ein Ende, Saiyett?«
    »Sie nahmen ein Ende. Ich kenne die ganze Geschichte nicht. Es war ein allzu schlimmer Frevel, um in allen Einzelheiten bekannt oder besprochen zu werden. Ich kann nur sagen, daß die damalige Tuginda Shardik und das Volk und sich selbst verriet. Es gab da einen Menschen – nein, er verdiente nicht, Mensch genannt zu werden, denn wer anders als ein Gottverlorener würde so etwas zu planen wagen? –, einen umherziehenden Sklavenhändler. Sie wurde – mit ihm – ach!« – und hier verstummte die Tuginda überwältigt, drückte ihren Körper an den Quianstamm hinter sich und zitterte vor Abscheu und Entsetzen. Nach einer Weile faßte sie sich und fuhr fort:
    »Er – er tötete Shardik und auch viele von den heiligen Frauen. Die übrigen machten er und seine Leute zu Sklaven, und die Frau, die einst Tuginda hieß, floh mit ihm über den Telthearna stromabwärts. Vielleicht kamen sie nach Zeray, vielleicht an einen anderen Ort – ich weiß es nicht, es macht nicht viel aus. Gott wußte, was sie getan hatten, und Er kann es sich immer leisten zu warten.
    Dann erhoben sich Beklas Feinde und überfielen es, und uns fehlte es an Unerschrockenheit und Mut, um sie zu bekämpfen. Sie eroberten die Stadt. Der Großbaron fiel durch ihre Hände, und was vom Volk noch übrig war, flüchtete über die Ebene und die Gelter Berge an die Ufer des Telthearnas, denn sie hofften, wenigstens ihr Leben retten zu können, wenn sie als Bittsteller zu jenen Inseln flohen. Deshalb setzten sie auf Ortelga über und zerstörten den Dammweg hinter sich. Und ihre Feinde ließen sie dort in der Erde scharren und in den Wäldern von Aas leben, denn sie hatten ihre Stadt und ihr Reich erobert, und es

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