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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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entlang. In seiner Welt war für alles Fremde und Unbekannte nur draußen der richtige Platz. Von allen Ortelganern war er vielleicht derjenige, dessen Herz bei der Nachricht von Shardiks, der göttlichen Kraft, Rückkehr am wenigsten klopfen und glühen würde. Was Melathys anlangte, ihr genügte ihre Rolle als Priesterin und ihre Inselzauberei. Vielleicht hoffte sie, später selbst einmal Tuginda zu werden. Sie gehorchte der Tuginda bloß, weil sie ihr nicht ungehorsam sein durfte. Sicherlich, meinte er, empfand sie im Herzen weder die leidenschaftliche Hoffnung noch das tiefe Verantwortungsgefühl der Tuginda. Vielleicht war es natürlich, daß sie Angst hatte. Sie war eine Frau, scharfsinnig und jung, die es bereits zu einer verantwortungsvollen und angesehenen Stellung gebracht hatte. Sie hatte viel zu verlieren, falls ein gewaltsamer Tod sie hinwegraffen sollte. Er dachte daran, wie er sie zum erstenmal am Vorabend gesehen hatte, als sie auf der von Flammen beleuchteten Terrasse ihre unheimliche Macht geltend gemacht hatte; wie sie erkannt hatte, daß das Geheimnis unausgesprochen in seinem Herzen und in keinem anderen der nächtlichen Ankömmlinge aus Ortelga verborgen lag. In der Erinnerung überkam ihn eine heftige Enttäuschung. In Wirklichkeit hätte sie die einzigartige Nachricht, die er gebracht hatte, lieber nicht erfahren.
    »Sie stehen beide weit über mir«, dachte er, als er langsam quer durch das Wäldchen schritt, wo seine Ohren von dem dauernden Quaken der Frösche am Ufer widerhallten. »Dennoch kann ich, ein einfacher Mann, deutlich erkennen, daß beide sich an das klammern – oder zu klammern versuchen –, wovon sie fürchten, es könnte geändert oder hinweggefegt werden. Ich habe keine solchen Gedanken, denn ich habe nichts zu verlieren; und außerdem habe ich Shardik, unseren Herrn, gesehen, sie aber nicht. Doch sogar wenn wir ihn wiederfinden und nicht sterben, werden sie, so glaube ich, auf die eine oder andere Weise ihn zu verleugnen versuchen. Und das könnte ich niemals, komme, was wolle.«
    Der plötzliche scharfe Schrei eines Tieres im Wald erinnerte ihn an die Pflicht, die er übernommen hatte, und er kehrte an seinen Wachtposten zurück. Er ging wieder quer über die Lichtung, zwischen den schlafenden Mädchen hindurch.
    Die Tuginda stand neben dem Feuer. Sie winkte ihm, und als er zu ihr trat, blickte sie ihn mit dem gleichen klugen, offenen Lächeln an, das er zum erstenmal bei dem Terethstein gesehen hatte, ehe er wußte, wer sie war.
    »Deine Wache ist doch sicher längst vorbei, Kelderek?« fragte sie.
    »Ich könnte nicht schlafen, Saiyett, auch wenn jemand anders meinen Platz einnähme, warum sollte ich also nicht Wache halten?«
    »Schmerzt deine Schulter noch?«
    »Nein – mein Herz, Saiyett.« Er erwiderte ihr Lächeln. »Ich bin unruhig. Und dafür gibt es alle Ursache.«
    »Nun, Kelderek, du Kinderspielfreund, ich bin froh, daß du wach bist, denn wir beide müssen miteinander sprechen.« Sie entfernte sich von den Schläferinnen, und er folgte ihr, bis sie stehenblieb, sich an einen Quianstamm lehnte und sich ihm im Halbdunkel zuwandte. Die Frösche quakten weiter, und nun konnte er hören, wie die Wellen gegen das Schilfrohr klatschten.
    »Du hast gehört, wie ich Melathys und dem Baron sagte, wir müßten so handeln, als wäre deine Nachricht wahr. Das sagte ich zu ihnen; du aber, Kelderek, sollst wissen: ich wäre nicht die Tuginda von Quiso, wäre ich nicht imstande, die Wahrheit zu erkennen, die von eines Mannes Herzen zu seinen Lippen strömt. Für mich besteht kein Zweifel, daß du wirklich Shardik, unseren Herrn, gesehen hast.«
    Er fand keine Antwort, und nach kurzer Pause fuhr sie fort: »So sind denn wir es, du und ich – von all den ungezählten Tausenden, die darauf gewartet haben.«
    »Ja. Aber du wirkst so ruhig, Saiyett, und ich – ich bin von Angst erfüllt, von der einfachen Angst eines Feiglings. Ich empfinde tatsächlich Ehrfurcht und Schauer, hauptsächlich aber habe ich einfach Angst, von einem Bären in Stücke gerissen zu werden. Es sind sehr gefährliche Geschöpfe. Hast du nicht auch Angst?«
    Ihre Antwort war eine Gegenfrage.
    »Was weißt du von Shardik, unserem Herrn?«
    Er überlegte eine Weile, dann antwortete er: »Er ist von Gott – Gott ist in ihm – er ist Gottes Kraft – er ging dahin und wird wiederkommen. Nein, Saiyett, man glaubt es zu wissen, bis ein anderer nach den Worten fragt. Ich habe, wie alle Kinder, um die gute

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