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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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hätte gern gewußt, was Taphro, der mürrische Narr, mit seinem Bogen gemacht hatte. »Wenn wir je zurückkommen«, dachte er, »werde ich von dem Baron verlangen, daß er ihn mir zurückgeben läßt.«
    Sie gingen vorsichtig weiter. »Hier bin ich gestürzt, Saiyett«, flüsterte er, »und siehst du, das sind die Spuren des Leoparden.«
    »Und der Bär?« Die Tuginda sprach ebenso leise wie er.
    »Der stand unten, Saiyett«, antwortete Kelderek und zeigte zum Fuß der Böschung, »aber er brauchte nicht nach oben zu langen, um den Leoparden zu treffen. Er schlug seitwärts – so.«
    Die Tuginda starrte die steile Böschung hinunter, atmete tief ein, warf zuerst Bel-ka-Trazet einen Blick zu und sah dann den Jäger an.
    »Bist du sicher?« fragte sie.
    »Als sich der Leopard duckte, blickte er aufwärts in die Augen des Bären, Saiyett«, antwortete Kelderek. »Ich sehe ihn noch vor mir und das weiße Fell unter seinem Kinn.«
    Die Tuginda schwieg, als versuchte sie, sich die gigantische Gestalt besser vorzustellen, die sich drohend und wütend knurrend auf die Hinterbeine erhoben hatte, so daß ihr Kopf über der Höhe der Böschung war, auf der sie standen. Schließlich fragte sie Bel-ka-Trazet:
    »Ist das möglich?«
    »Ich glaube nicht, Saiyett«, antwortete der Baron achselzuckend.
    »Nun denn, gehen wir hinunter«, sagte sie. Kelderek bot ihr seinen Arm, aber sie winkte ihm, er solle sich um Melathys kümmern. Der Atem der Priesterin ging schnell und unregelmäßig, sie stützte sich schwer auf ihn und zögerte bei jedem Schritt. Am Grund der Böschung angelangt, lehnte sie sich mit dem Rücken an einen Baum, biß sich auf die Lippe und schloß ihre Augen. Er wollte sie gerade ansprechen, da legte ihm die Tuginda eine Hand auf die Schulter.
    »Du hast den Bären nicht wiedergesehen, nachdem er dich hier verließ?«
    »Nein, Saiyett«, antwortete er. »Er ist dort, durch die Büsche, fortgegangen.«
    Er trat an den Baum heran, den der Bär mit seiner verwundeten Weiche gestreift hatte. »Er ist nicht hierher zurückgekommen.« Der Jäger schwieg eine Weile, dann fragte er in möglichst ruhigem Ton: »Soll ich nun seiner Spur folgen?«
    »Wir müssen den Bären finden, wenn wir können, Kelderek. Deshalb sind wir ja gekommen.«
    »Dann, Saiyett, gehe ich am besten allein. Der Bär könnte sich in der Nähe aufhalten, und ich muß vor allem leise sein.«
    »Ich werde dich begleiten«, sagte Bel-ka-Trazet.
    Er löste die Kette an seinem Hals, nahm seinen Pelzumhang ab und legte ihn auf den Boden. Seine Unke Schulter war verstümmelt wie sein Gesicht – bucklig und knotig, wie eine freiliegende Baumwurzel. »Er trägt den Umhang, um es zu verbergen«, dachte Kelderek.
    Sie waren nur ein paar Meter gegangen, da entdeckte der Jäger die Leopardenspuren, die teilweise von denen des Bären überdeckt waren. Der Leopard war wohl verwundet worden, nahm er an, hatte aber zu fliehen versucht, und der Bär hatte ihn verfolgt. Bald fanden sie die von Parasiten und Insekten schon halb zerfressene Leiche des Leoparden. Es gab keine Anzeichen eines Kampfes, und die Spur des Bären führte weiter durch die Büsche zu einem offenen Gehölz mit steinigem Grund. Hier konnte man zum erstenmal zwischen den Bäumen auf eine gewisse Entfernung hin sehen. Sie machten am Rand des Unterholzes halt, lauschten und sahen sich um, aber es regte sich nichts, alles war still, nur die Sittiche zwitscherten in den Zweigen.
    »Die Frauen können ruhig hierherkommen«, sagte Bel-ka-Trazet ihm ins Ohr; dann glitt er geräuschlos zurück ins Unterholz.
    Allein geblieben, versuchte Kelderek zu erraten, welchen Weg der Bär eingeschlagen haben mochte. Doch der steinige Boden wies keine Spuren auf, und er fühlte sich unsicher. Der Baron kam nicht zurück, und er fragte sich, ob vielleicht Melathys ohnmächtig geworden oder unpäßlich war. Endlich wurde er des Wartens müde, ging abgezählte hundert Schritte nach rechts und begann dann langsam, in einem weiten Halbkreis den Boden nach den geringsten Anzeichen – Spuren, Klauenabdrücke, Tropfen oder Haarbüschel – abzusuchen.
    Er hatte etwa die Hälfte der Strecke erfolglos zurückgelegt, als er wieder an den Rand eines Unterholzgürtels gelangte. Der war nicht sehr breit, denn Kelderek konnte dahinter freies Gelände sehen. Einem Impuls folgend, schlich er hindurch und kam oberhalb eines grasbedeckten Abhanges heraus, der auf allen Seiten von Wald umsäumt war und sich bis zum Nordufer der Insel

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