Shardik
dauernd losriß und stromabwärts schwemmte, keinen Halt finden. Als er sich dann keuchend festhielt, begann sich das überhängende Schutzdach in dem flackernden Licht des Feuers zu erhellen, das auf die letzten Zweige, das Tunneldach übergriff. Zischend fielen Funken, brennende Holzstücke und Asche in den Fluß. Von diesem schrecklichen Regen bedroht, löste sich der Bär vom Ufer und schwamm langsam und unbeholfen aus dem Tunnel der brennenden Bäume hinaus zum offenen Wasser.
Die Sonne ging allmählich unter und schien geradeaus den Fluß entlang, ihre Strahlen färbten die über seine Oberfläche ziehenden Wolken dunkelrot. Geschwärzte Baumstrünke, schwer wie Sturmböcke, schwammen flußabwärts und bahnten sich den Weg durch weniger gewichtiges Treibgut, klumpige Aschenmassen und schwimmende Schlingpflanzen. Ein Tauchen, Scharren, Aufprallen und Anhalten schwerer aneinanderschlagender Massen überall. Hinaus in dieses neblige Chaos schwamm der Bär, mühte sich ab, ging unter, bekam keine Luft, kam wieder hoch und kämpfte sich quer über den Fluß stromabwärts. Ein Stamm versetzte ihm einen Stoß in die Seite, der einem Herd die Rippen eingedrückt hätte, und er drehte sich herum und schlug mit beiden Vordertatzen darauf, halb klammerte er sich verzweifelt fest, halb schlug er aus Zorn zu. Sein Gewicht zog den Stamm unter die Oberfläche, der dann überrollte, und der Bär verwickelte sich in einen noch glimmenden Ast, der langsam, wie eine Hand mit Fingern, nach unten kam. Unter der Wasserfläche verfingen sich die Hintertatzen des Bären in etwas Unsichtbarem, und der Stamm trieb fort, während die Hintertatzen strampelten und sich befreiten. Er rang nach Luft, schluckte Wasser, aschigen Schaum und wirbelnde Blätter. Tierleichen schwammen vorbei – ein gestreifter Makati mit gebleckten Zähnen und geschlossenen Augen, ein Erdferkel mit dem Bauch nach oben und ein Ameisenbär, dessen langer Schwanz im Strom hin und her trieb. Der Bär hatte die vage Absicht, ans andere Ufer zu schwimmen – ein undeutlicher Schimmer von Bäumen in der Ferne. Doch wurde dies, wie alles andere, in dem sprudelnden Durcheinander mitten im Strom fortgeschwemmt, und der Bär wurde wieder, wie im Wald, zu einem in bloßer Todesangst vorangetriebenen Geschöpf.
Die Zeit verstrich, und seine Anstrengungen wurden schwächer. Müdigkeit, Hunger, der von den Verbrennungen herrührende Schock, das Gewicht seines dichten, durchnäßten Pelzes und die dauernden Stöße des Treibholzes zermürbten ihn, wie das Wetter Berge zerfrißt. Die Nacht sank herab, und die Rauchwolken trennten sich von der kilometerlangen einsamen, trüben Wasserfläche. Zuerst hatte der mächtige Rücken des Bären über die Oberfläche hinausgeragt, und er hatte sich beim Schwimmen umgesehen. Nun hielt er nur mehr den Kopf aus dem Wasser, und der Hals war weit zurückgebogen, um die Schnauze hoch genug zum Atmen zu halten. Fast ohne Bewußtsein und ohne seine Umgebung wahrzunehmen, trieb der Bär dahin. Er sah nicht die dunkle Uferlinie, die vor ihm aus dem Zwielicht auftauchte. Der Fluß teilte sich, strömte auf der einen Seite stark, auf der anderen etwas sanfter dahin. Die Hinterfüße des Bären berührten den Grund, aber er reagierte nicht, sondern trieb nur hilflos weiter, bis er schließlich an einem hohen, schmalen Felsen anhielt, der aus dem Wasser ragte; den umarmte er unbeholfen, grotesk, wie ein Insekt sich an einem Stock festhält.
Dort blieb er lange im Dunkel, aufrecht wie ein gekippter Monolith, schließlich ließ er seine Stütze zögernd los und sank auf allen vieren ins Wasser, platschte durch das Seichtwasser, stolperte in den Wald dahinter, bis er endlich zwischen den trockenen, faserigen Wurzeln eines Gehölzes von Quianbäumen bewußtlos liegenblieb.
3. Der Jäger
Die etwa vierzig Kilometer lange Insel teilte den Fluß in zwei Wasserläufe; ihre stromaufwärts liegende Spitze brach den Strom in der Mitte, während ihr stromabwärts liegendes Ende sich nahe dem unverbrannten Ufer befand, das der Bär nicht erreicht hatte. Die Durchfahrt, die bis zu diesem schmalen östlichen Ende immer enger wurde, floß durch die Reste eines Dammwegs hinaus – eine seichte Stelle mit plätscherndem Wasser, gefährlich unterbrochen durch tiefe Löcher –, der in früherer Zeit von längst verschwundenen Menschen gebaut worden war. Die Insel war größtenteils von Schilfgürteln umgeben, so daß bei Wind oder Sturm die Wellen nicht
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