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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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nicht erkennen. Unsere Pflicht ist einfach, zu warten und bereit zu sein, Gottes Willen zu vernehmen und auszuführen, wie immer er lauten mag.«
    Sie wandten sich um und gingen wieder auf den Wasserfall zu.
    »Das bedeutet aber nicht«, fuhr sie fort, »daß wir nicht scharfsinnig denken und vorsichtig handeln müssen. Übermorgen wird der Bär nicht mehr unter dem Einfluß der Mittel stehen und allmählich seine Kraft wiedererlangen. Du bist ein Jäger. Was, glaubst du, wird er dann tun?«
    Kelderek war verdutzt. Seine Frage war unbeantwortet an ihn zurückgegeben worden. Trotz der Worte, die er sie zu Bel-ka-Trazet hatte sprechen hören, war ihm nie eingefallen, daß die Tuginda keinen Plan haben könnte, um Shardik zu den Terrassen zu bringen. Er hatte sich nur darüber den Kopf zerbrochen, wie es bewerkstelligt werden sollte, denn selbst wenn der Bär unter Drogeneinfluß betäubt blieb, schienen die Schwierigkeiten ungeheuer. Nun wurde ihm zu seinem Schrecken klar, daß sie einfach zu warten gedachte, bis das gewaltige wilde Tier seine natürlichen Kräfte wiedererlangte. Wenn dies tatsächlich – wie sie offensichtlich glaubte – der Weg der Demut und der Gottesgläubigkeit war, so ging das über seine Erfahrung oder sein Verständnis hinaus. Zum erstenmal begann sein in sie gesetztes Vertrauen zu wanken.
    Sie las seine Gedanken. »Wir kaufen keine Seile auf dem Markt, Kelderek, oder verkaufen Häute an den Händler. Ebensowenig arbeiten wir für den Großbaron, indem wir Gruben im Wald ausheben oder ihm eine Frau suchen. Wir bieten unser Leben Gott und Shardik, unserem Herrn, dar und verpflichten uns, in Demut anzunehmen, was immer Er gnädig dafür zu geben geruht. Ich habe dich gefragt – was wird der Bär wahrscheinlich tun?«
    »Er befindet sich in einer fremden Umgebung, die er nicht kennt, Saiyett, und wird nach seiner Krankheit hungrig sein. Er wird nach Nahrung suchen, und vielleicht wird er wild sein.«
    »Wird er umherwandern?«
    »Ich habe mir überlegt, daß wir bald alle gezwungen sein werden umherzuwandern. Wir haben nur noch wenig zu essen, und ich kann nicht allein für so viele Menschen jagen.«
    »Da wir sicher sein können, daß der Großbaron sich weigern würde, uns aus Ortelga Nahrungsmittel zu schicken, müssen wir uns helfen, so gut wir können. Es gibt Fische im Fluß und Rotwild im Schilf, und wir haben Netze und Bogen. Suche dir sechs Mädchen aus und nimm sie mit auf die Jagd. Anfangs wird es vielleicht nicht viel zu teilen geben, aber es wird mehr werden, wenn sie ihr Geschäft lernen.«
    »Das wird sich eine Zeitlang machen lassen, Saiyett…«
    »Bist du ungeduldig, Kelderek? Wen hast du in Ortelga zurückgelassen?«
    »Keinen Menschen, Saiyett. Meine Eltern sind tot, und ich bin unverheiratet.«
    »Ein Mädchen?«
    Er schüttelte den Kopf, aber sie betrachtete ihn weiter mit ernsten Augen.
    »Es gibt hier Mädchen. Begehe nur keinen Frevel, vor allem jetzt nicht, denn die geringste Missetat wäre unser Tod.«
    Er rief empört: »Saiyett, wie kannst du glauben – «
    Sie sah ihn nur ruhig an, begegnete seinem Blick, während sie weitergingen und nochmals im Licht der Sterne umkehrten. Und vor seinem geistigen Auge erschien Melathys’ Gestalt auf der Terrasse; die dunkelhaarige Melathys in weißem Gewand mit dem Goldhalsband auf Hals und Schultern, die lachende Melathys, wie sie mit dem Pfeil und dem Schwert spielte, und dann zitternd und schwitzend vor Furcht am Rand der Grube. Wo war sie jetzt? Was war aus ihr geworden? Sein Widerspruch wurde unsicher und verstummte.
    Am nächsten Tag begann ein Leben, an das er in späteren Jahren oft zurückdenken sollte; ein Leben, so klar, so einfach und unmittelbar wie Regen. Wenn er je an der Tuginda gezweifelt oder sich gefragt hatte, was aus ihrer Demut und ihrem Glauben werden sollte, hatte er keine Zeit, sich daran zu erinnern. Zuerst waren die Mädchen so ungeschickt und dumm, daß er verzweifelte und mehr als einmal drauf und dran war, der Tuginda zu sagen, daß die Aufgabe seine Kräfte übersteige. Als sie am ersten Tag ein Ketlana zum freien Feld trieben, hielt Zilthe, fast noch ein Kind und die jüngste von seinen Jägerinnen, die er wegen ihrer Aufgewecktheit und Energie ausgewählt hatte, seine Bewegung im Dickicht für die des Wilds und schoß einen Pfeil ab, der zwischen seinem Arm und seinem Körper hindurchflog. Sie töteten an dem Tag so wenig, daß er sich gezwungen sah, die ganze Nacht zu fischen. In den von

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