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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Sternen beschienenen seichten Stellen fingen sie mit dem Netz einen großen Stachelflosser, eine Bramba, die wie ein Opal glänzte. Er war im Begriff, sie zu speeren, als der schlecht befestigte Ankerpflock sich löste und der Fisch mit einem heftigen Stoß untertauchte und das halbe Netz ins tiefe Wasser mitnahm. Nito biß sich auf die Lippen und sagte nichts.
    Am zweiten Abend waren alle im Lager hungrig, und der magere, struppige Bär wurde mit Medikamenten halb betäubt und mit Fischstücken und mühsam abgesparten Mehlkuchen gefüttert, die man in der Asche gebacken hatte.
    Aber die Not fördert auch bei den Ungeschicktesten erstaunliche Fähigkeiten zutage. Einige der Mädchen waren halbwegs brauchbare Schützen, und am dritten Tag hatten sie das Glück, fünf oder sechs Gänse zu erlegen. Am Abend wurde am Feuer gefeiert, es wurden Geschichten von einst aus Bekla erzählt, vom Helden Deparioth, dem Befreier von Yelda und Gründer von Sarkid, und von Fleitil, dem unsterblichen Erbauer des Tamarriktores; und sie sangen gemeinsam in seltsamen, Kelderek unbekannten Harmonien, denen er mit einer Art bebendem Unbehagen folgte, als ihre Stimmen einander rundum und in die Tiefe folgten, wie der Wasserfall der Terrassen in den Wäldern von Quiso.
    Bald hatte er alles vergessen, bis auf den Augenblick der Gegenwart – das nasse Gras am frühen Morgen, wenn er, die Hände zum fernen Fluß erhoben, dort betend stand, den Geruch der Trepsis, wenn man unter deren Blättern die kleinen Kürbisse suchte, die seit dem Vortag gereift waren, das grüne Licht und die Hitze des Waldes und die gespannten Blicke zwischen den Mädchen, wenn sie mit Pfeilen auf der Sehne im Hinterhalt warteten; den Jasmingeruch am Abend und das regelmäßige, mühlenartige Tschunk-tschunk der Paddel, wenn sie stromaufwärts ruderten, um einen aussichtsreichen Teich auszufischen. Die Mädchen lernten nach den ersten paar Tagen schnell, und er konnte sie zu zweit und zu dritt losschicken, die einen zum Fischen, die anderen zur Verfolgung einer Spur im Wald oder in ein Versteck im Schilf zur Jagd auf Wildvögel. Er hatte viel zu tun mit der Herstellung von Pfeilen – denn sie verloren viel zu viele –, bis er es Muni beibrachte, die dann bessere verfertigte als er. Ortelga und seine Angst vor Bel-ka-Trazets Rache schlug er sich aus dem Sinn. Zuerst träumte er noch lebhaft von dem Baron, der mit einem Gesicht wie aus Bruchsteinen aus dem Boden emporstieg und ihm winkte, er solle ihm in den Wald folgen, wo der Bär wartete; oder er ging am Ufer und warf seine Kapuze zurück und enthüllte sein vor Hitze glühendes, halb verbranntes Gesicht, das rot und grau war wie ein im Feuer flackerndes Holzscheit. Doch bald änderten sich seine Träume, verschwammen in nebelhafte, undefinierbare Eindrücke von Sternen und Blumen, die sich in dunklem Wasser spiegelten, oder von in weiter Ferne über Mauerruinen auf einer leeren Ebene dahinziehenden Wolken; oder es schien ihm, daß er die Tuginda bekümmert sprechen hörte, die ihn mit Worten, an welche er sich nie erinnern konnte, einer Missetat beschuldigte, die noch gar nicht begangen worden war. Nicht daß er aufgehört hätte, sich um sein Leben zu ängstigen oder die Gefahren der Zukunft zu fürchten. Er hatte diese Dinge einfach beiseite geschoben und lebte gleich den anderen Geschöpfen in Wald und Fluß von einer Stunde zur anderen, während seine Sinne von Tönen und Gerüchen erfüllt, seine Gedanken nur mit seinem Handwerk beschäftigt waren. Oft legte er sich, wie die Tiere es tun, nachts oder tagsüber, wo immer er war, für ein Schläfchen hin – und wurde von einem ernsten, atemlosen Mädchen mit der Nachricht von einem Zug Enten vor dem Ufer oder dem Herannahen einer Affengruppe durch die Bäume, eine Meile entfernt, geweckt. Jede eingebrachte Wildbeute wurde ohne Frage angenommen; und oft konnte er, wenn Neelith ihm seinen Teil aus dem über dem Feuer hängenden Eisentopf reichte, nicht erraten, was für ein Fleisch es sein mochte, er war nur froh, daß einige Mädchen offenbar ohne seine Mithilfe Erfolg gehabt hatten.
    Am fünften oder sechsten Tag, nachdem Sheldra seinen Bogen aus Ortelga zurückgebracht hatte (sie hatte ihn offenbar wiederbekommen, ohne Bel-ka-Trazet zu bemühen), stand Kelderek mit Zilthe etwa eine halbe Meile vom Lager entfernt beim Eingang in den Wald. Sie hatten sich neben einem kaum sichtbaren Pfad verborgen, der zum Ufer führte, und warteten auf das Auftauchen irgendeines

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