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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Tieres. Es war Abend, und die Sonnenstrahlen begannen, die Zweige über ihm zu röten. Plötzlich hörte er den Gesang weiblicher Stimmen in der Ferne. Als er lauschte, sträubten sich seine Haare im Nacken. Er erinnerte sich an die Gesänge ohne Worte beim Feuer. Sie hatten, so schien es ihm, die übertragene und doch vertraute Vorstellung vom Raunen des Windes in den Blättern, von Wellen auf dem Fluß, vom Aufschlagen der Kanus gegen bewegtes Wasser und von fallendem Regen vermittelt. Was er nun hörte, war der jahrhundertelangen Bewegung von Dingen ähnlich, die den Menschen nur deshalb unbewegt erscheinen, weil ihr eigenes Leben kurz ist: die Bewegung von Bäumen, die wachsen und sterben, von Sternen, die ihre Standorte am Himmel ändern, von Bergen, die durch Jahrtausende von Hitze, Frost und Sturm abgetragen werden. Es war wie das Errichten einer Stadt. Große, viereckige Blöcke von Wechselgesängen wurden schwungvoll übereinandergelagert, bis das Herz tief unten stand und der Blick nach oben schweifte auf die endlos über die dunkle Linie der vollendeten Wälle ziehenden Wolken. Zilthe stand da mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Händen. Obwohl Kelderek nichts sah und Furcht empfand, schien es ihm, als würde er auf eine Ebene gehoben, wo kein Gebet mehr nötig war, da die in Gottes Sinn stets vorhandene Harmonie für seine anbetend im Staub liegende Seele vernehmbar gemacht worden war. Er war auf die Knie gesunken, und sein Mund war verzerrt wie bei einem Mann im Todeskampf. Er lauschte weiter und hörte, wie der Gesang leiser wurde und dann schnell in Stille glitt wie ein Taucher in tiefes Wasser.
    Er erhob sich und ging langsam zum Waldrand. Doch es war, als betrachte er sich selbst, wie er sich im Traum bewegte. Der Traum war sein eigenes Leben, Zeit und Empfindung, Hunger und Durst, die er nun aus der Höhe strahlender Stille beobachtete. Er sah, wie sein Unterarm von einem Trazadazweig gekratzt wurde, und spürte fern in seinem Fleisch einen schmerzenden Widerhall. Langsam, sehr langsam schwebte er nach unten, um sich wieder mit seinem Körper zu vereinigen. Sie kamen zusammen, wie sich gebrochene Spiegelungen auf einer Wasserfläche auflösen, die zur Ruhe kommt; und er fand sich wieder, wie er auf die Wiese hinausblickte und sich am Arm kratzte.
    Shardik, hinter dem die Sonne unterging, kam über den Abhang herunter; bald streifte er unsicher dahin und dorthin, bald hielt er an und bückte zu den Bäumen und auf den Fluß in der Ferne. Hinter ihm gingen in einem weiten Kreis acht oder neun der Frauen, darunter Rantzay und die Tuginda. Wenn er zögerte, blieben auch sie stehen und wiegten sich, in gleichen Abständen voneinander, im Rhythmus ihres Gesangs; der Abendwind bewegte ihr Haar und den Saum ihrer Gewänder. Wenn er weiterging, kamen sie mit, so daß er stets in ihrer Mitte und vor ihnen blieb. Keine der Frauen zeigte Hast oder Furcht. Kelderek, der sie beobachtete, erinnerten sie an das gemeinsame Wenden eines Vogelzugs in der Luft oder eines Schwanns von Fischen in klarem Wasser.
    Es war offenkundig, daß Shardik halb benebelt war, ob nun vom dauernden Einfluß der Drogen oder vom einschläfernden Gesang, konnte der Jäger nicht sagen. Die Frauen drehten sich um ihn wie vom Wind geschüttelte, strahlenförmig von einem Baumstamm ausgehende Äste. Plötzlich verspürte Kelderek die Sehnsucht, sich ihrem gefährlichen und schönen Tanz anzuschließen, sein Leben Shardik darzubieten, sich als einer von jenen zu erweisen, denen Shardiks Macht sich offenbart hatte und durch die seine Macht in die Welt fließen konnte. Und mit dieser Sehnsucht kam die Überzeugung – aber es machte auch nichts, wenn er sich irrte –, daß Shardik ihm kein Leid zufügen würde. Er trat unter den Bäumen hervor und stieg die Anhöhe empor.
    Bis er nur mehr einen Steinwurf von ihnen entfernt war, ließen die Frauen und der Bär nicht erkennen, daß sie ihn gesehen hatten. Dann blieb der Bär, der sich eher in Richtung zum Fluß als zum Wald bewegt hatte, stehen und wandte ihm seinen gesenkten Kopf zu. Auch der Jäger hielt an und wartete mit zum Gruß erhobener Hand. Die sinkende Sonne blendete ihn, aber er merkte es nicht. Durch des Bären Augen sah er sich selbst allein auf der Anhöhe stehen.
    Der Bär spähte unsicher über das sonnenbeleuchtete Gras. Dann kam er auf die einsame Gestalt des Jägers zu, bis er vor dessen vom Licht geblendeten Augen als dunkle Masse erschien und Kelderek seinen Atem und

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