Shardik
Shardik, unserem Herrn, zu der Tuginda gebracht.«
»Dann sind wir einander schon begegnet; im Sindrad, an dem Abend, als du nach Quiso fuhrst. Ich bin Ta-Kominion.«
Kelderek erinnerte sich an den hochgewachsenen jungen Baron, der auf dem Tisch gesessen und ihn beim Zechen gehänselt hatte. Damals war er verwirrt und unsicher gewesen, ein einfacher Mann unter Höhergestellten, der dem Konflikt allein die Stirn bot. Aber seither hatten sich die Dinge geändert.
»Bel-ka-Trazet hat dich also geschickt, um mich zu ermorden«, sagte er, »und du fandest mich weniger hilflos, als du erwartet hattest?«
»Nun, insoweit hast du recht«, antwortete Ta-Kominion. »Bel-ka-Trazet wünscht tatsächlich deinen Tod, und es ist richtig, daß dies der Grund ist, weshalb ich hier bin. Aber hör mich jetzt an, Kelderek, du Kinderspielfreund. Wenn du meinst, ich sei durch den Todesgürtel gekommen allein auf die vage Möglichkeit hin, in meilenweiten Wäldern zufällig auf einen bestimmten Mann zu stoßen und ihn zu töten, mußt du mich für einen Zauberer halten. Nein, ich kam dich suchen, weil ich mit dir sprechen will; und ich kam zu Lande und nachts, weil ich nicht wollte, daß Bel-ka-Trazet davon weiß. Ich hatte keine Ahnung, wo du sein mochtest, doch anscheinend hatte ich Glück – wenn man ein halb gebrochenes Genick und einen Schlag auf den Ellbogen als Glück bezeichnen kann. Nun sage mir, ist unser Herr Shardik hier?«
»Er ist keinen Bogenschuß weit. Sprich nicht schlecht von ihm, Ta-Kominion, wenn dir dein Leben lieb ist.«
»Verstehe mich recht, Kelderek. Ich bin hier als Bel-ka-Trazets Feind und als Freund von unserem Herrn Shardik. Laß dir etwas von dem erzählen, was seit deiner Abreise in Ortelga vorgeht.«
»Warte!« Kelderek faßte den anderen am Arm. Sie duckten sich und lauschten und hörten Shardik durch den Wald gehen.
»Sheldra!« rief Kelderek. »Wohin geht er?«
»Zurück, Herr, den gleichen Weg, den er gekommen ist. Soll ich umkehren und die Tuginda warnen?«
»Ja, aber sieh zu, daß du ihn nicht verlierst, wenn er weiter fortgeht.«
»Sie gehorchen dir also«, sagte Ta-Kominion nach einer Weile, »nicht wahr, Kelderek, Herr? Nun, wenn alles wahr ist, was ich höre, verdienst du es. Bel-ka-Trazet hat den Baronen erzählt, du hättest ihn niedergeschlagen.«
»Ich habe einen Stein nach ihm geworfen. Er war im Begriff, unseren Herrn Shardik zu töten, als er hilflos war.«
»Das sagte er. Er sprach zu uns von dem Wahnsinn und der Gefahr, das Volk glauben zu lassen, daß Shardik, unser Herr, zurückgekommen sei. ›Diese Weiber werden uns alle zugrunde richten‹, sagte er, ›mit dem halb verbrannten Bären, den sie aufgelesen haben. Gott weiß, welch abergläubischer Unsinn dabei herauskommt, wenn man sie nicht dorthin verfrachtet, wohin sie gehören. Es wäre das Ende von Gesetz und Ordnung.‹ Er schickte Männer auf die Suche nach dir ans Westende der Insel, aber anscheinend warst du nicht mehr dort. Einer von ihnen verfolgte deine Spur nach Osten fast bis hierher; als er aber zurückkam, sprach er mit mir und nicht mit Bel-ka-Trazet.«
»Warum?«
Ta-Kominion legte seine Hand auf Keldereks Knie.
»Die Leute kennen die Wahrheit«, sagte er. »Eines der Mädchen der Tuginda kam nach Ortelga, aber sogar wenn sie nicht gekommen wäre – die Wahrheit dringt durch die Blätter und tropft zwischen den Steinen durch. Das Volk ist der Härte Bel-ka-Trazets müde. Man spricht insgeheim von Shardik, unserem Herrn, und wartet auf sein Kommen. Nötigenfalls sind die Menschen bereit, für ihn zu sterben. Das weiß Bel-ka-Trazet und hat Angst.«
»Ja«, antwortete Kelderek, »an dem Morgen, als er die Tuginda verließ, sah ich die Furcht bereits in seinen Augen. Ich bedauerte ihn damals und bedauere ihn immer noch, aber er hat sich gegen Shardik, unseren Herrn, gestellt. Wenn ein Mann beschließt, sich einem Feuer entgegenzustellen, kann dann das Feuer Mitleid mit ihm haben?«
»Er glaubt – «
Kelderek unterbrach ihn. »Was also willst du von mir?«
»Das Volk ist nicht Bel-ka-Trazet. Es weiß, daß unser Herr Shardik zu ihm zurückgekehrt ist. Ich habe in Ortelga anständige, schlichte Männer vor Freude und Hoffnung weinen sehen. Sie sind bereit, sich gegen Bel-ka-Trazet zu erheben und mir zu folgen.«
»Dir zu folgen? Wohin?«
In der Einsamkeit des Waldes senkte Ta-Kominion seine Stimme noch mehr.
»Nach Bekla, um wiederzuerobern, was unser ist.«
Kelderek atmete tief. »Ihr habt
Weitere Kostenlose Bücher