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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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in dem grauen Licht und dem grauen Wasser des frühen Morgens sich bewegender Punkt.
    Doch bei Gott, es gab noch etwas, das der Shendron unbedingt sehen mußte! Ein wenig hinter Kelderek, aber genau zwischen ihm und dem Zoanbaum trieb Shardik dahin wie eine Wolke in einem fahlen Himmel. Das Wasser rund um ihn bewegte sich nicht, und seine lange, keilförmige Schnauze lag halb unter Wasser, nur die Nüstern standen heraus wie bei einem Alligator. Als der Jäger zu ihm blickte, wandte der Bär für einen Moment den Kopf und schien ihn anzustarren.
    Jetzt verspürte Kelderek bei aller Verzweiflung wieder den tapferen Impuls, der ihn getrieben hatte, sich hinter Shardik in den Fluß zu stürzen. Shardik hatte ihn für die eigenen Zwecke gerufen; Shardik besaß die Macht, die Menschen zu schützen und zu begeistern, die ihm alles hingaben und die nichts bezweifelten. Wenn er nur Shardik erreichen könnte, der würde ihn retten, er würde ihn nicht ertrinken lassen. Als der Zoanbaum aus seiner Sicht verschwand, begann er mit letzter Kraft, quer durch die Strömung landwärts zu schwimmen. Langsam, sehr langsam näherte er sich dem Bären. Als er allmählich in trägeres Wasser kam, verringerte sich die Entfernung zwischen ihnen, bis sie schließlich, nur durch wenige Meter getrennt, nebeneinander schwammen.
    Mehr konnte er nicht tun. Er war erschöpft, sein Bewußtsein beschränkte sich auf das tiefe Wasser unter ihm, die Angst vor dem Ertrinken und irgendwo, weit entfernt, auf Shardiks Anwesenheit. Er konnte weder den Himmel noch das Ufer sehen. »Nimm mein Leben hin, Shardik, mein Herr. Ich bereue nichts, was ich für dich getan habe.« Ihm schwanden die Sinne, er sank unter, atmete nicht mehr; seine Arme waren hochgestreckt in das dunkle, undeutlich werdende Schwarz; und nun, angesichts des Todes, spürte er wieder das zottige Haar, die Flanke Shardiks, wie damals, als er bei Einbruch der Nacht neben ihm in den Wald gegangen war und im Schutz seiner Gegenwart geschlafen hatte.
    Das Dunkel spaltete sich. Er holte Atem und sog die Luft ein. Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser und funkelte vor seinen Augen. Er klammerte sich an Shardiks Flanke, hing mit zusammengepreßten Händen daran, wurde auf und ab bewegt, während neben ihm das große linke Hinterbein so schnell wie Mühlenräderschlag Wasser trat. Zuerst konnte er kaum fassen, was geschehen war, er wußte nur, daß er lebte und noch ans Ufer kommen konnte, bevor sie an der Stadt vorbeigetrieben wurden.
    Der Bär hatte den Kopf nicht gewandt oder Kelderek abzuschütteln versucht, er schien ihn gar nicht zu bemerken. Kelderek wunderte sich über seine Gleichgültigkeit. Als dann seine Sinne klarer wurden, merkte er, daß der Bär auf etwas anderes bedacht war, daß er eine bestimmte Absicht hatte. Er wandte sich nach links zum Ufer und schwamm nun kräftiger. Kelderek konnte nicht über seinen Rücken hinwegsehen, aber als er sich weiter umdrehte, erschien jenseits seiner Schulter Land. Kurz darauf begann der Bär zu waten. Kelderek ließ seine Füße nach unten sinken, berührte den Grund und fand, fast bis zu den Schultern im Wasser, feste Steine, auf denen er stehen konnte.
    Der Bär und der Mann kamen zusammen ans Ufer, nahe von den nun kalten Kochstellen, bei den Vorratshütten und Dienerquartieren, die am Ufer in der Nähe des Sindrads lagen. Shardik hieb eifrig das Wasser zur Seite, als er, wie zur Verfolgung einer Beute, spritzend durch die seichten Stellen planschte. Plötzlich erkannte Kelderek die Sachlage. Der Bär war hungrig – verlangte verzweifelt und um jeden Preis nach Nahrung. Etwas hatte ihn vom Todesgürtel abgelenkt, er mußte aber doch, als er im Wald lag, Nahrung gewittert haben und war deshalb in den Fluß gesprungen. Kelderek erinnerte sich an Bel-ka-Trazets Worte, bevor er die Tuginda verlassen hatte: »Wenn er Ortelga heimsucht, verspreche ich dir, ihn töten zu lassen.«
    Stolpernd und halb erstickt begann er, Shardik die Uferböschung empor zu folgen, strauchelte aber und fiel der Länge nach hin. Eine Weile blieb er regungslos liegen, dann erhob er sich auf einen Ellbogen. Da sah er, wie zwei Männer, die miteinander einen Eisenkessel trugen, hinter der nächsten Hütte hervorkamen und zum Wasser gingen. Ihre Augen nahmen noch gar nicht richtig wahr, und sie waren zerzaust, offenbar Aufwäscher, die man für die ersten Hausarbeiten des Tages aus dem Bett gejagt hatte. Der Bär war, fast noch bevor sie hochblickten und ihn sahen, über

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