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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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floß ruhig dahin. Die Tuginda watete noch weiter, und er folgte ihr, verwundert über ihre Hast. Sie standen bis zur Taille im Wasser und kamen mit tastenden Füßen zum äußeren Rand des Schilfgürtels, wo der Fluß rechts und links vor ihnen lag. Die Tuginda legte die Hand auf Keldereks Schulter und wies stromabwärts, wo eine breite Kräuselung wie eine Pfeilspitze die ruhige Wasserfläche brach. An der Spitze schwamm das einzige lebende Wesen, das in der ganzen Weite von Wasser und Bäumen zu sehen war, Shardik, dessen Schnauze aufwärts zum Himmel wies, während ihn die Strömung nach Ortelga trug.
     

16. Das Kap und der Dammweg
     
    Ohne einen Moment zu zögern, warf sich Kelderek in das tiefe Wasser. Sofort – fast noch ehe seine Schultern die Oberfläche berührt hatten – spürte er, wie die Strömung ihn erfaßte und stromabwärts trug. Erst sträubte er sich einen Augenblick, erschrocken über seine Hilflosigkeit, dann begann er, unbeholfen zu schwimmen, bog den Hals nach hinten, um den Kopf über Wasser zu halten, und schlug mit den Armen spritzend um sich. Vor sich konnte er mit seinen vom Wasser getrübten Augen noch immer die Gestalt des Bären erkennen, der wie ein Heuballen bei einer Überschwemmung fortgespült wurde.
    Bald merkte Kelderek, daß eine Laune des Flusses ihn zur Mitte trug, wo die Strömung noch reißender war. Selbst wenn er zufällig auf eine unerwartete Landspitze oder eine Sandbank unter Wasser stoßen sollte, wie sie sich immer wieder in der Flußenge formten und auflösten, würde er nicht imstande sein, gegen eine so starke Strömung anzukommen. Schon jetzt wurde er müde. Er versuchte, sich nach einem schwimmenden Ast oder etwas anderem umzusehen, woran er sich festhalten könnte, sah aber nichts. Seine tief hinabhängenden Füße stießen gegen ein geflochtenes, biegsames, rahmenartiges Ding mit Zwischenräumen, und als er sich mit einem Ruck freimachte, zuckte blitzartig ein Schmerz durch sein Bein. Gleich darauf wurde er in einem Strudel herumgedreht, schluckte Wasser, ging unter und fand, aufgetaucht, daß er stromaufwärts blickte und weitertrieb. Die Frauen im Schilf waren nun weit entfernt, kaum erkennbare Gestalten, die mit dem Auf und Nieder seiner Augen erschienen und verschwanden. Er versuchte, kehrtzumachen und stromabwärts zu blicken, dabei hörte er über dem Wasser einen hastigen Ruf: »Kelderek! Ans Land!«
    Ta-Kominion schwamm hinter ihm, ungefähr in der Mitte zwischen ihm und dem Ufer, das sie verlassen hatten. Obwohl er sich offenbar leichter tat als Kelderek, war es doch klar, daß er wenig Atem zum Sprechen hatte. Er hob einen Arm und winkte heftig in Richtung zum Schilf, dann schwamm er weiter. Kelderek sah, daß er ihn zu überholen versuchte, was ihm aber nicht gelang, weil die Strömung in Ufernähe langsamer war. Tatsächlich vergrößerte sich der Abstand zwischen ihnen. Ta-Kominion hob den Kopf und schien wieder etwas zu rufen, aber Kelderek konnte nichts hören außer seinem eigenen schweren Atem und dem Plätschern und Gurgeln des Wassers. Als er dann für einen Augenblick hochkam, vernahm er die leisen Worte: »– Land vor dem Kap!«
    Als er begriff, was der Baron meinte, erschrak er. Er wurde am Südostufer von Ortelga so schnell vorbeigeschwemmt, wie ein Mann gehen konnte. Solange er mitten im Strom blieb, durfte er nicht damit rechnen, gegen den überschwemmten Dammweg getrieben zu werden, der von der Ostspitze der Insel zum Festland führte. Wahrscheinlich würde er darüber hinweg- oder hindurchgetragen, stromabwärts getrieben von derselben Strömung, gegen die er nun um sein Leben kämpfte. Und wenn er über Ortelga hinausgeschwemmt wurde, konnte er nicht hoffen, lebend ans Ufer zu gelangen.
    Er schlug mit den Beinen aus, bemühte sich keuchend, an der Oberfläche zu bleiben, wobei er noch mehr ermüdete. Wie weit war es nun bis zum Kap? Das rechte, das Festlandufer, schien ihm eigentlich näher als das Ufer von Ortelga: aber wie war das möglich? Dann erkannte er die Stelle. Das Schilf war zurückgeschnitten worden, so daß eine offene Wasserfläche entstanden war, hinter der ein Zoanbaum am Inselufer wuchs. Er sah hoch und weit entfernt aus – viel weiter als das letztemal bei seiner Rückkehr nach Ortelga auf seinem Floß. Er dachte an den Shendron, der vielleicht eben jetzt durch die silbrigen Farnwedel herauslugte. Aber der Shendron würde ihn trotz aller Wachsamkeit nicht erblicken, denn er war nur ein Stück Treibgut, ein

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