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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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ein Mädchen, wann immer der Bär auf sie zukam.
    Einen oder zwei Tage später stolperte Sheldra bei einem Schritt rückwärts auf einem steilen Hang und stieß sich den Kopf. Shardik beachtete sie aber nicht und trottete an ihr vorbei, als sie benommen zwischen den Steinen lag. Kelderek half ihr auf die Füße, und sie nahm wortlos ihren Platz wieder ein.
    Mit der Zeit schien Shardik, wie es die Tuginda in ihren Gesprächen mit Kelderek über frühere Zeiten ins Auge gefaßt hatte, sich an den Dienst der Mädchen zu gewöhnen und mitunter sogar beinahe seine Rolle zu spielen – er starrte sie hoch aufgerichtet an oder strich hin und her, als wolle er untersuchen, ob sie ihre Kunst beherrschten. Drei oder vier von ihnen – darunter Sheldra – zeigten sich imstande, sich in seiner Anwesenheit ruhig zu benehmen. Andere, auch solche, die jahrelang in Quiso Dienst gemacht und alle Bewegungen und Rhythmen gelernt hatten, konnten nach wenigen Abenden ihre Furcht nicht länger beherrschen. Diese ließ Kelderek eine Weile aussetzen und berief nur abwechselnd die eine oder andere, damit sie ihre Rolle, so gut sie konnte, spielte. Zu Beginn des Gesangs beobachtete er sie genau, denn Shardik bemerkte es sofort, wenn eine Angst hatte, und das schien ihn zu erzürnen; er starrte sie mit einem halb verständnisvollen, halb wilden Blick an, bis das Opfer, dessen letzter Rest an Mut schwand, aus dem Kreis ausbrach und vor Scham weinend davonlief. Sooft es Kelderek möglich war, kam er diesem Ärger zuvor und rief das Mädchen aus dem Kreis, bevor der Bär auf sie losging. Sein eigenes Leben setzte er täglich aufs Spiel, aber Shardik bedrohte ihn niemals, sondern blieb ruhig liegen, wenn der Jäger ihm Nahrung brachte oder seine fast geheilten Wunden untersuchte.
    Die Tage verstrichen, und die Gedanken an Ortelga und den Großbaron ängstigten ihn mehr als Shardik. Es wurde täglich schwieriger, genug Wild zu finden und zu erlegen, und es wurde ihm klar, daß sie auf ihrem Weg über die Insel nach Osten schon beinahe deren nie im Überfluß vorhandenen Wildbestand erschöpft hatten. Sooft ihre Wanderungen sie an das Südufer führten, zeigte sich das Festlandufer des Telthearnas jenseits der schmäler werdenden Durchfahrt näher. Wie weit waren sie noch von Ortelga entfernt? Wie genau ließ Bel-ka-Trazet sie überwachen, und was würde geschehen, wenn sie – wozu es schließlich kommen mußte – den Todesgürtel erreichten mit seinem Labyrinth von versteckten Fallen? Würden sie nicht, selbst wenn er irgendwie imstande wäre, Shardik zur Umkehr zu veranlassen, verhungern müssen? Täglich standen er und die Tuginda, von den Frauen beobachtet, vor dem Bären und beteten laut: »Enthülle deine Macht, Shardik, o Herr! Zeige uns, was wir tun sollen!« Unter vier Augen mit der Tuginda sprach er von seinen Befürchtungen, aber er begegnete immer nur ruhigem, ungetrübtem Vertrauen, dem gegenüber er, wäre es von jemand anders gekommen, die Geduld verloren hätte.
    Nun kauerte er im Dunkel und wurde von Zweifel und Ungewißheit geplagt. Zum erstenmal, seit er ihn in der Grube gefunden hatte, wußte er, daß er sich vor Shardik fürchtete. Sie hatten den ganzen Tag nichts Eßbares erjagt, und bei Sonnenuntergang war der Bär so heftig und wild gewesen, daß der Gesang versagt hatte und rauh und unheilvoll abbrach. Als es Nacht wurde, wanderte Shardik fort in den dichten Wald. Kelderek nahm Sheldra mit und folgte ihm, so gut er konnte; dabei erwartete er jeden Augenblick, selbst von dem Bären als Beutetier gejagt zu werden, bis er endlich – nach wie langer Zeit, hätte er nicht sagen können (er konnte die Sterne nicht sehen) – Shardik in der Nähe umherwandern hörte. Er wußte nicht, ob der Bär umkehren und sie angreifen, ob er sich schlafen legen oder tiefer in den Wald gehen würde, und Kelderek, der schon müde war, beschloß, wach zu bleiben und zu warten.
    Nach einer Weile schlief Sheldra ein, doch er horchte aufmerksam auf das geringste Geräusch im Dunkel. Manchmal glaubte er, den Atem des Bären oder das Rascheln der von seinen Klauen bewegten Blätter zu hören. Nach einigen Stunden merkte er intuitiv, daß die Stimmung des Bären sich geändert hatte. Er war nicht mehr bösartig und angriffsbereit, sondern unruhig. Kelderek hatte nicht gewußt oder geahnt, daß Shardik, sein Herr, Angst haben könne. Was konnte die Ursache sein? Sollte ein gefährliches Geschöpf in der Nähe sein – eine vom Nordufer

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