Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
schüttelte den Kopf. »Wir hatten. Viele. Große Regen kamen rein und - wusch!« Sie winkte mit dem Arm. »Alles weggespült«, sagte sie. »Puppen. Spielsachen. Papiere.« Sie zeigte auf die Wachspapierfenster. »Regen kommen rein.«
    »Warum setzen Sie keine Glasfenster ein?«
    Sie lachte. »Miss Leiderk sagt Glas, Shirlee. Glas ist gut. Fest. Versuch. Jasp sagt nein, nein. Jasp mag Luft.«
    Mrs. Leidecker klingt nach’ner guten Freundin.«
    »Ja.«
    »War … ist sie auch Sharons Freundin?«
    »Lehrerin.« Sie tippte sich auf die Stirn. »Richtig schlau.«
    »Sharon wollte auch Lehrerin werden«, sagte ich. »Sie ging zur Schule nach New York, um Lehrerin zu werden.« Nicken. »Forset College.«
    »Forsythe College?«
    Nicken. »Weit weg.«
    »Nachdem sie Lehrerin geworden war, ist sie hierher nach Willow Glen zurückgekommen?«
    »Nein. Zu schlau. Calfurna.«
    »Kalifornien?«
    »Ja. Weit weg.«
    »Hat sie Ihnen aus Kalifornien geschrieben?«
    Trauriger Blick. Ich bedauerte die Frage.
    »Ja.«
    »Wann haben Sie das letzte Mal von ihr gehört?«
    Sie biss sich auf die Finger, verzerrte den Mund. »Crismus.«
    »Letzte Weihnachten?«
    »Ja.« Ohne Überzeugung.
    Sie hatte über einen sechzehn Jahre alten Brief gesprochen, als wäre er heute angekommen. Dachte, Kalifornien wäre weit entfernt. Ich fragte mich, ob sie lesen konnte, fragte sie: »Weihnachten lange her?«
    »Ja.«
    Noch etwas anderes oben auf der Kommode fiel mir ins Auge: eine Ecke von einem blauen Lederumschlag unter den Apfelzeichnungen. Ich zog ihn heraus. Ein Sparbuch von einer Bank in Yucaipa. Sie schien nichts gegen mein Eingreifen zu haben. Ich kam mir trotzdem wie ein Einbrecher vor und öffnete das Buch.
    Mehrere Jahre lang immer dieselbe Art von Eintragung: fünfhundert Dollar in bar eingezahlt am Ersten jeden Monats. Gelegentliche Abhebungen. Derzeitiger Stand: 78 000 Dollar und ein bisschen Kleingeld. Das Konto war in Treuhänderschaft für Jasper Ransom und Shirlee Ransom eröffnet, Treuhänderin war Helen A. Leidecker.
    »Geld«, sagte Shirlee. Stolzes Lächeln.
    Ich legte das Sparbuch wieder zurück, wo ich es gefunden hatte.
    »Shirlee, wo ist Sharon geboren?«
    Erstaunter Gesichtsausdruck.
    »Haben Sie sie geboren? Ist sie aus Ihrem Bauch gekommen?«
    Kichern.
    Ich hörte Schritte und drehte mich um.
    Ein Mann kam herein. Er sah mich, zog die Hosen hoch, hob die Augenbrauen und schlurfte an die Seite seiner Frau.
    Er war nicht viel größer als sie - kaum über einen Meter dreiundfünfzig - und ungefähr ihres Alters. Kahlköpfig, mit fast keinem Kinn und sehr großen, sehr weich aussehenden Augen. Eine fleischige Nase formte einen Tunnel zwischen den Augen und überschattete eine vorragende Oberlippe. Sein Mund hing etwas offen. Er hatte nur ein paar gelbliche Zähne. Ein Gesicht wie Andy Grump, bedeckt von feinem weißem Haar, das einem Seifenfilm ähnelte. Seine Schultern waren so schmal, dass seine kurzen Arme aus dem Hals zu wachsen schienen. Die Arme baumelten an den Seiten herunter und endeten in dicklichen Händen mit auswärtsgespreizten Fingern. Er trug ein weißes, viel zu großes T-Shirt, eine graue Arbeitshose, die er sich mit einer Schnur um die Taille festgebunden hatte, und hochgeschlossene Turnschuhe. Die Hose war gebügelt und sie stand vorn offen.
    »Uh, Jasp«, sagte Shirlee, versteckte den Mund hinter der Hand und zeigte hin.
    Er blickte erstaunt drein. Sie kicherte und zog seinen Reißverschluss hoch, tätschelte ihm spielerisch die Wange. Er wurde rot und sah zu Boden.
    »Hallo«, sagte ich, streckte die Hand aus. »Ich heiße Alex.«
    Er ignorierte mich. Schien mit seinen Turnschuhen beschäftigt.
    »Mr. Ransom … Jasper -«
    Shirlee mischte sich ein. »Hör’ nicht. Nichts. Rede’ nich.« Es gelang mir, seinen Blick zu erhaschen, und ich sagte »Hallo«.
    Leerer Blick.
    Ich bot ihm wieder meine Hand an.
    Er warf kaninchenhafte Blicke umher.
    Ich wandte mich an Shirlee. »Könnten Sie ihm sagen, dass ich ein Freund von Sharon bin?«
    Sie kratzte sich das Kinn, sann nach und schrie ihn dann an:
    »Er kenn’ Sharon! Sha-ron! Sha-ron!«
    Die Augen des kleinen Mannes wurden groß, sprangen von mir weg.
    »Bitte sagen Sie ihm, ich mag seine Zeichnungen, Shirlee.«
    »Zeichnungen!«, schrie Shirlee. Sie führte eine rohe Pantomime vor - wie man einen Zeichenstift bewegt. »Er ma’ Zeichnungen! Zeich-nun-gen!«
    Jasper verzog das Gesicht.
    »Zeich-nun-gen! Dummer Jasp!« Mehr Stiftbewegungen. Sie nahm ihn bei

Weitere Kostenlose Bücher