Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
sein Familienname stand, fuhren weiter bis zum Schulhaus, wo er noch langsamer wurde und nach rechts winkte. Er schoss die Einfahrt hinauf, beschrieb auf dem Spielplatz einen Kreis und hielt vor der Schulhaustreppe.
    Er sprang die Stufen hinauf, nahm immer drei auf einmal. Ich folgte ihm und sah ein Holzschild neben dem Eingang.
     
 
    WILLOW GLEN SCHULE
EINGERICHTET 1938
EINST TEIL DER BLALOCK-RANCH
     
 
    Die Buchstaben waren rustikal und ins Holz eingebrannt. Derselbe Stil wie auf dem Schild, auf dem La Mar Road gestanden hatte - die Privatstraße in den Holmby Hills. Als ich anhielt, um es mir anzusehen, stand Gabriel schon oben auf dem Treppenabsatz, riss die Tür auf und ließ sie hinter sich zufallen. Ich rannte hinauf, fing sie auf und kam in ein großes, luftiges Schulzimmer, das nach Fingerfarben und gespitzten Bleistiften roch. Auf den hell gemalten Wänden hingen Gesundheits- und Sicherheitsplakate, Buntstiftzeichnungen. Keine Äpfel. An drei Wänden unter Schönschriftanleitungen von Palmer waren Tafeln befestigt. Eine amerikanische Flagge baumelte über einer großen, runden Uhr, die vier Uhr vierzig anzeigte. Gegenüber jeder Wandtafel standen zehn hölzerne Schulbänke - die altmodische Sorte mit schmalen Deckeln und Tintenfässern.
    Ein Lehrerpult stand allen drei Sitzgruppen gegenüber. Eine blonde Frau, die einen Stift hielt, saß dahinter. Gabriel stand über sie gebeugt und flüsterte. Als er mich sah, richtete er sich auf und räusperte sich.
    Die Frau legte den Stift hin und sah hoch.
    Sie mochte Anfang vierzig sein, mit kurzem, welligem Haar und breiten, eckigen Schultern. Sie trug eine kurzärmelige weiße Bluse. Ihre Arme waren braun gebrannt, mollig, und endeten in feingliedrigen Händen mit langen Fingernägeln.
    Gabriel flüsterte ihr etwas zu.
    Ich sagte »Hallo« und kam näher.
    Sie stand auf. Ein Meter achtzig, und älter, als mein erster Eindruck gewesen war - Ende vierzig oder Anfang fünfzig. Die weiße Bluse war in einen knielangen braunen Leinenrock gesteckt. Sie hatte schwere Brüste, eine schmale Taille, die die Breite ihrer Schultern betonte. Unter der Sonnenbräune lag ein rötlicher Ton - eine Andeutung derselben Korallenfarbe, die ihren Sohn wie ein ewiger Sonnenbrand bedeckte. Sie hatte ein langes, angenehmes Gesicht, das durch ein sorgfältig aufgetragenes Make-up, volle Lippen und große, leuchtende bernsteinfarbene Augen noch vorteilhafter zur Geltung kam. Ihre Nase war kräftig und ragte hervor, ihr Kinn war gespalten und fest. Ein offenes Gesicht, stark und sturmerprobt.
    »Hallo«, sagte sie ohne Wärme. »Was kann ich für Sie tun, Sir?«
    »Ich wollte über Sharon Ransom reden. Ich bin Alex Delaware.«
    Als sie meinen Namen hörte, veränderte sich ihr Ton. »Oh«, sagte sie mit schwächerer Stimme.
    »Mutter«, sagte Gabriel und nahm ihren Arm.
    »Es ist in Ordnung, Gabey. Geh zurück nach Hause, und lass mich mit diesem Mann reden.«
    »Kommt nicht in Frage, Mom. Wir kennen ihn nicht.«
    »Es ist in Ordnung, Gabey«
    »Mutter.«
    »Gabriel, wenn ich dir sage, dass es okay ist, dann ist es okay. Nun geh bitte zurück nach Hause, und mach deine Arbeiten. Die alten Spartaner hinter dem Kürbisfeld müssen beschnitten werden. Es ist noch’ne Menge Mais zu schälen, und die Kürbisranken müssen festgebunden werden.«
    Er grunzte und sah mich böse an.
    »Geh, Gabey«, sagte sie.
    Er nahm die Hand von ihrem Arm, warf mir noch einen wütenden Blick zu, zog sein Schlüsselbund hervor und stampfte dann murmelnd hinaus.
    »Danke, mein Lieber«, rief sie ihm nach, kurz bevor die Tür sich schloss.
    Als er weg war, sagte sie: »Wir haben Mr. Leidecker letztes Frühjahr verloren. Seitdem versucht Gabriel ständig, seinen Vater zu ersetzen, und ich fürchte, er übertreibt es manchmal damit.«
    »Ein guter Sohn«, sagte ich.
    »Ein wundervoller. Aber er ist immer noch ein Kind. Zuerst, wenn Leute ihn kennenlernen, sind sie von seiner Größe überwältigt. Sie begreifen nicht, dass er erst achtzehn ist. Ich habe sein Motorrad nicht starten hören. Sie?«
    »Nein.«
    Sie ging zu einem Fenster und schrie hinunter: »Ich habe gesagt, nach Hause, Gabriel Leidecker. Hänge die Ranken auf, bis ich zu Haus bin, oder es ist dein Ende, Junge.«
    Protestlaute kamen von unten herauf. Sie stand am Fenster, die Hände in die Hüften gestemmt. »So ein Baby«, sagte sie zärtlich. »Wahrscheinlich mein Fehler - es war viel härter für seine Brüder.«
    »Wie viele Kinder haben

Weitere Kostenlose Bücher