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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sie’s versucht.«
    »Wem gehört das Land, auf dem Jasper und Shirlee leben?«
    »Das ist Magnas Land.«
    »Ist das allgemein bekannt?«
    »Mr. Leidecker hat es mir gesagt, und er war kein Schwätzer.«
    »Wie sind sie hergekommen?«
    »Niemand weiß das. Mr. Leidecker zufolge - ich habe damals nicht hier gelebt - sind sie 1956 im General Store aufgetaucht, um Lebensmittel zu kaufen - damals war’s ein General Store. Als die Leute mit ihnen zu reden versuchten, winkte Jasper mit den Händen herum und grunzte, und sie kicherte. Es war offenbar, dass es sich um Zurückgebliebene handelte - Kinder, die nie erwachsen werden. Die am häufigsten gehörte Theorie lautete, sie seien irgendeiner Institution entflohen, vielleicht aus einem Bus getürmt und dann zufällig hier oben gelandet. Die Leute helfen ihnen, wenn es nötig ist, aber im Allgemeinen kümmert sich kaum jemand um sie. Sie sind harmlos.«
    »Jemand überweist ihnen aber 500 Dollar im Monat«, sagte ich.
    Sie sah mich an, als hätte ich sie mit der Hand in der Keksdose erwischt. »Wie bitte?«
    »Habe ihr Sparbuch gesehen. Liegt oben auf der Kommode.«
    »Auf der Kommode? Was soll ich mit den beiden tun? Ich habe ihnen so oft gesagt, sie sollen das Buch verstecken, sie zu überreden versucht, dass sie mich das Buch aufbewahren lassen. Aber sie denken, dass ist so eine Art Symbol für Freiheit und wollen es nicht hergeben. Sie können ganz schön stur sein, wenn sie es sich so in den Kopf setzen. Haben Sie diese Wachspapierfenster in ihren Baracken gesehen? Nach all den Jahren weigert er sich immer noch, Glas einsetzen zu lassen. Die arme Shirlee friert im Winter. Gabriel und ich müssen ihnen bergeweise Decken hinunterbringen, und gegen Ende der Regenzeit sind sie rettungslos verschimmelt. Die Kälte scheint Jasper nichts auszumachen. Dem armen Kerl muss man sagen, er soll hereinkommen, wenn es regnet.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Oben auf der Kommode. Nicht, dass irgendwer von hier aus der Gegend ihnen wehtun würde, aber das ist eine Menge Geld. Vor allem, wenn die Besitzer sich nicht wehren können.«
    »Wer schickt es?«, fragte ich.
    »Das hab ich nie herauskriegen können. Es kommt wie bei einem Uhrwerk am Ersten eines jeden Monats per Post vom Zentraldepot in Los Angeles. Einfacher weißer Umschlag, eine getippte Anschrift, kein Absender. Shirlee hat keinen klaren Zeitbegriff, also weiß sie nicht, seit wann sie es bekommt, nur, dass es schon seit sehr langer Zeit ist. Da war ein Mann - Ernest Halverson -, trug hier früher die Post aus, bis er 1964 pensioniert wurde. Er glaubte sich an das Eintreffen von Umschlägen ab 1956 oder 1957 zu erinnern, aber er hatte schon ein paar Schlaganfälle hinter sich, als ich mit ihm sprach, und sein Gedächtnis war nicht perfekt. Die anderen alten Leute sind längst alle weg.«
    »Waren es immer fünfhundert?«
    »Nein. Es waren früher drei-, dann vier- und wurden fünfhundert, als Sharon zum College wegging.«
    »Aufmerksamer Wohltäter«, sagte ich. »Aber wie konnte man von ihnen annehmen, dass sie mit solchen Summen umgehen können?«
    »Das konnten sie nicht. Sie lebten wie die Tiere, bis wir uns um sie zu kümmern anfingen. Wanderten alle paar Wochen mit zwei oder drei Zwanzigdollarscheinen ins Dorf und versuchten Lebensmittel zu kaufen - sie hatten keine Ahnung, wie man wechselt oder was die Dinge wert waren. Die Leute hier sind ehrlich; sie haben sie nie übervorteilt.«
    »Gab es keine Neugier, woher sie Geld bekamen?«
    »Doch, dessen bin ich sicher, Dr. Delaware, aber die Leute in Willow Glen stecken ihre Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten. Und niemand hat geahnt, wie viel sie gespart hatten. Bis Sharon es entdeckte - Tausende von Dollars als Polster unter der Matratze oder einfach lose in der Schublade. Jasper hatte mehrere Scheine für Kunstprojekte benutzt - Bärte auf die Gesichter gemalt, sie zu Papierflugzeugen gefaltet.«
    »Wie alt war Sharon, als sie das entdeckte?«
    »Beinahe sieben. Es war 1960. Ich erinnere mich an das Jahr, weil wir ungewöhnlich starke Winterregenfälle gehabt hatten. Die Baracken waren ursprünglich als Lager gedacht mit nur einem dünnen Zementboden darunter, und ich wusste, dass es für sie sehr schwer wurde, also gingen wir hinüber - Mr. Leidecker und ich. Also wirklich, es war furchtbar. Das Grundstück stand halb unter Wasser, war total verschlammt wie geschmolzene Schokolade. Das Regenwasser war durchs Wachspapier hereingekommen. Shirlee und Jasper

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