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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sein glaubte -, wandten sich dann aber von mir ab und konzentrierten sich auf etwas über meiner Schulter. Zugleich streckte er die Hand aus, packte meine fest, bedeckte sie mit seiner anderen und bewegte unsere Arme auf und nieder, während er ausrief: »Ist ja so nett, dass Sie kommen konnten!« Bevor ich eine Gelegenheit fand, ihm zu antworten, hatte er den Händedruck als Hebelbewegung benutzt, um sich an mir vorbeizukatapultieren, und drehte mich dabei halb um meine Achse, bevor er endlich meine Hand losließ und weiterging.
    Politikerart. Ich hatte mich von einem Experten manipulieren lassen.
    Wieder einmal.
    Ich drehte mich um, sah seinen maßgeschneiderten Rücken weiterwandern, gefolgt von der breiten, schimmernden Silbermähne seiner Frau, die einen Kontrapunkt zu ihrem schmalen, enggewandten Podex bildete.
    Die beiden gingen mehrere Schritte geradeaus, bis eine große, gutaussehende Frau in mittleren Jahren sie ansprach.
    Schlank und makellos zurechtgemacht in einem blassgelben, seidenen Cocktailkleid, an der, Brust ein weißes Rosenbukett mit akkurat platzierten Brillanten, hätte sie die First Lady jedes Präsidenten sein können. Ihr Haar war kastanienbraun mit ein paar Silberfäden darin, zurückgekämmt und zu einem Knoten gebunden, der ein langes Gesicht mit vollen Kinnladen krönte. Ihre Lippen waren schmal, zu einem halben Lächeln geformt.
    Das Lächeln einer Highschool-Absolventin. Angeboren sicheres Auftreten.
    Ich hörte Kruse sagen: »Hallo, Hope. Alles ist einfach wunderschön.«
    »Danke, Paul. Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben - hier sind ein paar Leute, die ich Ihnen gern vorstellen würde.«
    »Natürlich, meine Liebe.«
    Der Wortwechsel klang einstudiert, schien jeglichen Gefühls zu ermangeln und schloss Suzanne Kruse aus. Die drei verließen den Innenhof. Kruse und die First Lady Seite an Seite, die frühere Suzy Beinebreit in ihrem Schlepptau wie eine Dienerin. Sie gingen auf eine Gruppe von »Schwänen« zu, die im Widerschein des Sonnenlichts an einem der Teiche posierten. Ihr Eintreffen bewirkte, dass das Geplapper aufhörte und die Gläser abgestellt wurden. Eine Menge Handfleisch wurde gedrückt. Innerhalb von Sekunden lauschten die Schwäne alle hingerissen Dr. Kruse. Aber die Frau in Gelb zeigte sich gelangweilt. Sogar ärgerlich.
    Ich kehrte zum Tisch zurück und nahm einen kräftigen Schluck Gin. Larry hob sein Glas und berührte meins.
    »Ein Hoch auf die altmodischen Mädels, Alex. Mögen sie ewig leben und vögeln.«
    Ich kippte den Rest des Gins hinunter und nuckelte am Eis. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, fühlte, wie ein leichtes Summen mich überkam, und schüttelte den Kopf, um ihn klarzubekommen. Bei dieser Bewegung geriet ein hellgelber Fleck in mein Blickfeld.
    Die First Lady hatte Kruses Seite verlassen. Sie ließ die Augen prüfend über den Besitz wandern, ging ein paar Schritte geradeaus, hielt an und deutete mit dem Kopf auf einen gelben Punkt auf dem Rasen. Weggeworfene Serviette. Ein Kellner eilte herbei, um sie aufzuheben. Wie ein Kapitän am Bug seiner Fregatte schützte die Frau ihre Augen mit der Hand gegen die blendende Sonne und schaute über das Gelände. Sie lief zu einem der Rosenbeete, hob eine Blüte auf und betrachtete sie prüfend. Ein anderer Kellner, der eine Schere trug, war augenblicklich bei ihr. Einen Augenblick später steckte die Blüte in ihrem Haar, und sie schritt weiter.
    »Ist das unsere Gastgeberin«, fragte ich, »die in dem blassgelben Kleid?«
    »Keine Ahnung, Alex. Ich verkehre eigentlich nicht in diesen Kreisen.«
    »Kruse nannte sie Hope.«
    »Dann ist sie’s. Hope Blalock. Ewig sprudelnde Quellen.« Einen Augenblick darauf sagte er: »Das ist mir ja eine schöne Gastgeberin. Merkst du, dass sie uns alle draußen lässt - keiner kommt ins Haus?«
    »Wie Hunde, die noch nicht stubenrein sind.«
    Er lachte, hob ein Bein vom Stuhl empor und machte mit den Lippen ein unanständiges Geräusch. Dann deutete er mit dem Kopf auf einen Tisch in unserer Nähe: »Da wir gerade vom Abrichten von Tieren sprechen, guck dir mal da die Elektrodenfreunde an!«
    Acht oder neun Assistenten saßen um einen Mann Ende fünfzig herum. Die Assistenten trugen vorwiegend Cordsamt und Jeans, die Frauen unter ihnen einfache baumwollene Hängekleider, glattes, strähniges Haar und Brillen mit Drahtgestellen. Ihr Mentor war kahlköpfig, krummbucklig und trug einen kurz geschnittenen weißen Bart. Sein Anzug war aus einem erdfarbenen,

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