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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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lächelnd die Hand hin.
    Larry sah zu mir heraus. Ich winkte. Larry grinste, rollte das Fenster hoch und warf den Motor an. Ich schlenderte an den Autos vorbei und hörte das asthmatische Röcheln des Chevy, gefolgt von Flüchen in einer fremden Sprache. Dann ein Klappern und Quietschen, als der Wagen beschleunigte. Larry sauste vorbei, streckte die linke Hand heraus und winkte.
    Ich war ein paar Meter gegangen, als ich jemanden rufen hörte. Ich dachte nicht, dass es mir galt, und setzte meinen Weg fort.
    Dann wurde der Ruf lauter und deutlicher.
    »Alex!«
    Ich sah zurück über die Schulter. Marineblaues Kleid. Schwarze Haarmähne. Lange, weiße sich bewegende Beine. Sie holte mich ein, ihr Busen wogte, auf ihrer Oberlippe standen Schweißperlen.
    »Alex! Du bist’s wirklich. Ich kann’s gar nicht glauben!«
    »Hallo, Sharon. Wie ist es dir ergangen?« Dr. Witzig.
    »Na, großartig.« Sie berührte ihr Ohr, schüttelte den Kopf. »Nein, du bist der einzige Mensch, dem ich nichts vorzumachen brauche. Nein, es ist mir nicht gut ergangen, überhaupt nicht.«
    Die Leichtigkeit, mit der sie mich ins Vertrauen zog, das mühelose Hinweggehen über alles, was zwischen uns geschehen war, rief meine Abwehr hervor.
    Sie kam näher. Ich roch ihren Duft - Seife und Wasser mit einer Andeutung von frischem Gras und Frühlingsblumen.
    »Es tut mir leid, das zu hören«, sagte ich.
    »Ach, Alex.« Sie legte zwei Finger auf mein Handgelenk. Ließ sie dort liegen.
    Ich spürte ihre Leidenschaft, ein Energiestoß durchfuhr mich unterhalb der Gürtellinie. Plötzlich war ich steinhart. Und wütend darüber. Aber lebendig - zum ersten Mal seit langer Zeit.
    »Es ist so gut, dich zu sehen, Alex.« Diese Stimme, süß und sahnig. Die Mitternachtsaugen funkelten.
    »Ich find’s auch gut, dich zu sehen.« Es kam kehlig und heftig heraus, alles andere als gleichgültig, obwohl ich so gern gleichgültig gewesen wäre. Ihre Finger brannten ein Loch in mein Handgelenk. Ich nahm sie weg und steckte die Hände in die Taschen.
    Wenn sie die Ablehnung spürte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken, ihre Arme fielen zur Seite herunter, und sie lächelte unentwegt weiter.
    »Alex, es ist komisch, dass wir einander so zufällig treffen - außersinnliche Wahrnehmung. Ich wollte dich anrufen.«
    »Weswegen?«
    Ein Zungenspitzendreieck bewegte sich zwischen ihren Lippen und leckte den Schweiß weg, nach dem es mich gelüstet hatte. »Ein paar Fragen, die … aufgetreten sind. Jetzt ist nicht der richtige Augenblick, aber wenn du mal Zeit fändest, darüber zu reden, wäre ich dir dankbar.«
    »Über was für Fragen müssten wir denn noch nach all den Jahren reden?«
    Ihr Lächeln war ein Viertelmond aus weißem Licht. Zu direkt. Zu breit.
    »Ich hatte gehofft, dass du nicht mehr wütend sein würdest nach so langer Zeit.«
    »Ich bin nicht wütend, Sharon. Ich wundere mich nur.«
    Sie zauste an ihrem Ohrläppchen herum. Ihre Finger flogen vorwärts und streiften meine Backe, bevor sie herunterfielen.
    »Du bist ein guter Kerl, Delaware. Bist du immer gewesen. Mach’s gut.«
    Sie drehte sich um und wollte gehen. Ich ergriff ihre Hand und hielt sie fest.
    »Sharon, es tut mir leid, dass es dir nicht gutgeht.«
    Sie lachte, biss sich auf die Lippe. »Nein, es geht mir wirklich nicht gut. Aber das ist nicht dein Problem.«
    Während sie es sagte, kam sie näher, kam immer näher. Ich merkte, dass ich sie an mich zog, aber nur mit ganz leichtem Druck, sie ließ sich von mir einholen.
    Ich wusste in diesem Augenblick, dass sie alles tun würde, was ich wollte, und ihre Passivität rief eine seltsame Mischung von Gefühlen in mir hervor. Mitleid. Dankbarkeit. Freude, dass mich endlich jemand brauchte.
    Das Gewicht zwischen meinen Beinen wurde unerträglich. Ich ließ ihre Hand fallen.
    Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Meine Zunge stemmte sich gegen die Zähne wie eine Schlange, die in einem Glas gefangen ist.
    Ein Fremder, der meine Stimme benutzte, sagte: »Wenn dir so viel daran liegt, können wir uns treffen und reden.«
    »Es liegt mir sehr viel daran«, sagte sie.
    Wir verabredeten uns für Montag zum Lunch.

5
    Im gleichen Augenblick, als sie hinter dem Torgitter verschwand, wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war. Aber ich war nicht sicher, dass ich ihn bedauerte.
    Wieder zu Haus, rief ich den Auftragsdienst an und hoffte, dass ein Anruf von Robin angekommen war, etwas, was ein Bedauern in mir auslösen

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