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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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wie sie ist, aber werde nicht zu akademisch. Bleib einfach bei der guten alten Formel - nach deinem besten Wissen und Gewissen und so weiter, du bist der Psychologe, und wir werden’s akzeptieren. Mein Versicherungsmathematiker macht schon Überstunden; ich möchte diese Schweinehunde so beim Kanthaken kriegen, dass sie dem guten Darren noch die Rente im Altersheim bezahlen müssen.«
    Er machte eine Pause und fügte hinzu: »Das ist nur fair, Alex. Denises Leben ist ein Trümmerhaufen. Für jemanden wie sie die einzige Möglichkeit, das System zu schlagen.«
    »Du bist der weiße Ritter, Mal.«
    »Wurmt dich etwas?« Er klang echt besorgt.
    »Nein, mir geht’s wunderbar. Bin nur ein bisschen müde.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Er sagte einen Augenblick lang nichts. »Also gut, solange wir uns verstehen.«
    »Wir verstehen uns ausgezeichnet, Mal. Qualität, nicht Quantität.«
    Er schwieg eine Zeitlang, dann sagte er: »Ruh dich aus, und pass gut auf dich auf, Doc. Ich möchte, dass du in Spitzenform bist, wenn du es mit den sieben Zwergen zu tun bekommst.«
    Ich rief Sharon kurz nach zwölf an. Ein Anrufbeantworter ertönte - in diesem Jahr bekam ich es dauernd mit ihnen zu tun. (»Hallo, hier ist Dr. Ransom. Ich bin gerade nicht zu Hause, aber sehr an Ihrer Nachricht interessiert …«)
    Sogar ihre Tonbandstimme weckte Erinnerungen … das Gefühl ihrer Finger auf meiner Wange.
    Ganz plötzlich musste ich sie loswerden und beschloss, es sofort zu erledigen. Ich wartete auf die Piepernummer für den Notfall, die Therapeuten regelmäßig am Ende durchsagen. Aber es kam keine.
    Piep.
    Ich sagte: »Sharon, hier ist Alex. Ich kann am Montag nicht. Viel Glück.«
    Kurz und gut.
    Dr. Herzensbrecher.
    Eine Stunde später sah ich ihr Gesicht noch immer vor mir, eine blasse, hübsche Maske, die immer wieder auftauchte und verschwand.
    Ich versuchte, die Vorstellung zu vertreiben, und dadurch wurde es noch schlimmer. Ich gab’s auf, hing meinen Erinnerungen nach, nannte mich einen geilen Idioten, der das Denken dem kleinen Kopf überließ statt dem großen. Trotzdem versank ich immer tiefer in meinen Erinnerungen und fragte mich schließlich, ob es richtig gewesen war, die Verabredung abzusagen.
    Um eins kam ich auf die Idee, die eine hübsche Maske durch eine andere zu verdrängen, und rief in San Luis Obispo an. Robins Mutter war am Apparat.
    »Ja?«
    »Hier ist Alex, Rosalie.«
    »Ach. Hallo.«
    »Ist Robin da?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, wann sie zurückkommt?«
    »Sie ist ausgegangen. Mit Freunden.«
    »Ach so.«
    Schweigen.
    »Wie geht’s dem Baby?«
    »Wunderbar.«
    »Gut, ja, dann sagen Sie ihr bitte, dass ich angerufen habe.«
    »Ja, mach ich.«
    »Bye.«
    Klick.
    Das Privileg, eine Schwiegermutter zu besitzen, ohne den ganzen Papierkrieg.
    Am Montag kämpfte ich mich durch die Morgenzeitung hindurch und hoffte, dass die Korruption und Gemeinheit der internationalen Politik die Trivialität meiner Probleme zum Vorschein bringen würde. Die Methode erwies sich so lange als wirkungsvoll, bis ich mit der Zeitung fertig war. Dann kehrte das alte Gefühl der Leere zurück.
    Ich fütterte die Fische, ging in die Garage hinunter, startete den Seville und fuhr nach South Westwood, um ein paar Lebensmittel einzukaufen. Irgendwo zwischen den Tiefkühlfächern und den Regalen mit den Konservendosen sah ich, dass mein Korb leer war; ich verließ den Supermarkt, ohne irgendetwas zu kaufen.
    Ein Häuserblock vom Markt entfernt befand sich ein Kinozentrum mit verschiedenen Programmen. Ich suchte mir einen Film aus, zahlte den herabgesetzten Preis und verkroch mich, so tief es ging, in meinem Sitz, zusammen mit kichernden Teenagerpaaren und einigen anderen einsamen Männern. Es war ein billiger Reißer ohne zusammenhängende Handlung und mit schwachsinnigen Dialogen. Ich ging mitten in einer schweißtriefenden Liebesszene zwischen der Heldin und dem flotten Psychopathen, der sie sich gerade zum Dessert nach dem Koitus zurechtschnipseln wollte, hinaus.
    Draußen war es dunkel. Wieder ein Tag siegreich bezwungen. Ich würgte einen Hamburger hinunter und wollte gerade nach Hause fahren, als ich mich an die vorübergehend therapeutische Wirkung des Zeitunglesens erinnerte.
    Abendzeitung. Eine neue Ausgabe. Ein blinder Verkäufer rief sie vom Bordstein am Wilshire Boulevard aus. Ich fuhr rechts ran, kaufte eine Zeitung, zahlte mit einem Dollarschein und wartete nicht auf das Wechselgeld.
    Zu Hause angekommen, rief ich den

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