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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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würde.
    »Niemand für Sie, Dr. Delaware«, sagte die Frauenstimme am Telefon. Ich glaubte, Mitleid herauszuhören, und sagte mir, dass ich allmählich paranoid würde.
    In jener Nacht ging ich mit einem Kopf voll erotischer Vorstellungen schlafen. Irgendwann am frühen Morgen kam ich im Traum zum Orgasmus. Ich wachte verklebt und wirr im Kopf auf und wusste schon, ohne dass ich weiter darüber nachzudenken brauchte, dass ich meine Verabredung mit Sharon nicht einhalten würde. Ich freute mich nicht drauf.
    Ich tat dann, was ich jeden Morgen tat - duschen, rasieren, Kaffee hinunterschlucken, Berichte diktieren -, und verbrachte noch ein paar weitere Stunden damit, Akten zu ordnen und Zeitschriften durchzublättern. Mittags rief Mal Worthy an und bat mich, den nächsten Mittwoch für einen Termin im Fall Darren Burkhalter zu reservieren.
    »Arbeitest du denn sonntags, Mal?«
    »Zweites Frühstück«, sagte er. »Warte auf einen Tisch. Das Böse gibt niemals Ruhe; die Guten kommen deshalb auch nie dazu. Auf der Gegenseite werden sieben Anwälte antanzen, Alex. Stell deshalb deinen Detektor ganz genau ein.«
    »Warum so’ne Armee?«
    »Verschiedene Interessen. Die Versicherung des anderen Fahrers hat zwei von ihren besten Leuten in der City beauftragt; die Erben schicken auch einen. Der Betrunkene, der sie gerammt hat, war ein ziemlich erfolgreicher Bauunternehmer - da geht’s um allerhand Mäuse. Ich habe dir von den Bremsen erzählt, deshalb kommen noch der Anwalt des Herstellers und außerdem der des Händlers hinzu, der für den Service des Wagens zuständig war. Das Restaurant, das ihm die Drinks verabreicht hat, schickt Anwalt Nummer sechs. Rechne noch den Bezirksanwalt hinzu, weil wir behaupten, die Beleuchtung sei unzureichend gewesen und um den Graben hätten nicht genug Warnkegel gestanden, dann hast du zusammen sieben. Fühlst du dich nun eingeschüchtert?«
    »Sollte ich?«
    »Nein. Es kommt doch auf die Qualität und nicht auf die Quantität an, stimmt’s? Wir erledigen es in meinem Büro, das gibt uns einen kleinen Heimvorteil. Ich fange damit an, dass ich deine Qualifikationen vorlese, und wie immer wird jemand mich unterbrechen, bevor es zu beeindruckend wird, und um dein Gutachten bitten. Du kennst das ja; du weißt, dass das Ganze der Suche nach den Fakten dienen und sich in einem höflichen Ton abspielen soll, aber ich werde da sein und dir Rückendeckung geben, wenn’s eklig wird. Die Leute von der Versicherung werden wahrscheinlich mit dem größten Hammer kommen - ihre Haftpflicht hat recht klare Bestimmungen, und sie haben am meisten zu verlieren. Ich habe das Gefühl, dass sie, anstatt deine Informationen als solche anzugreifen, die Gültigkeit des frühkindlichen Traumas als Konzept in Frage stellen werden - ist es eine wissenschaftliche Tatsache oder nur Seelenklempner-Quatsch? Und selbst wenn: Wie dauerhaft ist der Schaden? Kannst du beweisen, dass eine traumatische Erfahrung im Alter von achtzehn Monaten den armen kleinen Darren lebenslänglich verkrüppeln wird?«
    »Ich habe nie gesagt, dass ich das könnte.«
    »Ich weiß das, und du weißt es, aber bitte sei am Mittwoch ein bisschen vorsichtig. Wichtige Tatsache ist: Sie können nicht beweisen, dass bei ihm alles wieder in Ordnung kommen wird. Und wenn wir damit vor Gericht gehen, glaub mir, dann werde ich, verdammt noch mal, dafür sorgen, dass die Beweislast ihnen zufällt. Eine Jury wird großes Mitleid mit so einem süßen Kerlchen haben, das von seinem Nickerchen im Auto aufwacht und den Kopf seines Vaters über die Rückenlehne hopsen und genau neben sich landen sieht. Die Videoaufzeichnung deiner Sitzungen mit ihm war eine wundervolle Idee, Alex. Das Kind kommt wunderbar verletzlich rüber. Vor Gericht würde ich denen das ganze Wahnsinnszeugs bis zum letzten Meter vorführen - und dazu sämtliche Polaroidfotos vom Unfall. Nichts geht schließlich über einen blutigen Kopf, um die Sympathiesäfte zum Fließen zu bringen, hm?«
    »Du hast recht.«
    »Einer Jury wird gar nichts anderes übrigbleiben, als unseren Vorschlag zu akzeptieren, Alex. Verdammt noch mal - wie soll dieses Kind denn je wieder normal werden? Und lass uns ganz ehrlich sein: Kann jemand von uns garantieren, dass so etwas je wieder heilen wird? Die andere Seite weiß das. Sie haben auch schon die Möglichkeit eines Vergleichs angedeutet - lächerliche Beträge. Es geht jetzt also nur noch darum, wie viel und wann. Dein Job wird sein, die Sache so darzustellen,

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