Sharpes Beute
dass er die Krankenhäuser besuchen musste, und fürchtete sich davor, aber es war seine Pflicht. Im Augenblick musste er jedoch die Stadt auf weiteres Ungemach vorbereiten, und er befahl, dass die Brauereien ihre größten Fässer an Straßenecken aufstellen und mit Seewasser füllen sollten. Die Briten hatten irgendwie die Versorgung mit frischem Trinkwasser abgeschnitten, und die Pumpen der Feuerwehr hatten stets Mangel, doch die Fässer konnten helfen. In Wahrheit wusste er, dass dies eine nutzlose Geste war, denn die Stadt hatte keinen richtigen Schutz. Sie musste leiden und hoffen, den Beschuss zu überstehen.
Er ging durch die zerstörten Straßen mit rauchenden Ruinen, zwischen Schutt und Trümmerbergen hindurch. »Wie viele Granaten haben die Engländer letzte Nacht verschossen?«
»Viertausend?«, schätzte ein Adjutant. »Vielleicht fünftausend?«
»Und wie viele haben sie noch?« Das war die Frage. Wann würde den britischen Geschützen die Munition ausgehen? Denn dann mussten sie warten, bis Nachschub aus England kam, und unterdessen würden die Nächte länger dunkel sein, und vielleicht würde der Kronprinz aus Holstein mit einer Armee regulärer Soldaten kommen, die den britischen Truppen zahlenmäßig überlegen sein würden. Dann kann das Leiden noch zu einem Sieg werden, dachte Peymann. Die Stadt musste einfach überleben.
Major Lavisser, das Gesicht angespannt und düster, bahnte sich einen Weg durch die Trümmer. »Ich komme zu spät zum Dienst, Sir«, sagte er zu Peymann, »und bitte um Entschuldigung.«
»Sie hatten bestimmt eine lange Nacht.«
»Eine sehr lange«, bestätigte Lavisser. Sie war nicht mit dem Feuerlöschen vergangen. Er hatte die dunklen Stunden damit verbracht, Ole Skovgaard zu verhören, und die Erinnerung daran gab ihm Befriedigung, doch er war immer noch besorgt wegen des unbekannten Besuchers, der zwei seiner Männer im Hof verwundet hatte. Ein Dieb, vermutete Barker, vielleicht ein Soldat oder Matrose, der die Bombardierung als Gelegenheit nutzte, die reichen Häuser in Bredgade zu plündern.
Lavisser hatte zuerst befürchtet, dass es Sharpe gewesen sein könnte, aber dann hatte er sich eingeredet, dass der Schütze längst wieder zur britischen Armee zurückgekehrt war. Barker hatte vermutlich recht. Es war nur ein Dieb gewesen, wenn auch ein gut bewaffneter.
General Peymann starrte zu einem zerstörten Kirchturm hinauf, wo eine einzelne Glocke an einem geschwärzten Balken hing, auf dem eine Taube hockte. Die Überreste der Kirchenbänke qualmten schrecklich. Ein Kinderbein ragte aus der Asche, und er wandte sich entsetzt ab. Es war an der Zeit, die Krankenhäuser zu besuchen, und obwohl er nicht den Brandopfern gegenübertreten wollte, war ihm klar, dass er sich nicht davor drücken konnte.
»Sie haben heute Nacht Dienst?«, fragte er Lavisser.
»Jawohl, Sir.«
»Dann könnten Sie einen guten Aussichtspunkt finden«, sagte der General. »Irgendeinen Turm oder vielleicht den großen Ladekran in Gammelholm? Aber irgendwo, wo es sicher ist. Ich will, dass Sie die Bomben zählen, so gut Sie können.«
Lavisser war verwirrt. Er fand, dass Bomben zählen ein erniedrigender Dienst war. »Sie - zählen, Sir?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Es ist wichtig, Major«, sagte Peymann, »denn wenn sie heute weniger Bomben feuern, werden wir wissen, dass ihnen die Munition ausgeht. Wir werden wissen, dass wir durchhalten können.« Und wenn sie mehr feuern ..., dachte er, doch er schreckte vor diesem Schluss zurück.
Eine Botschaft vom Kronprinzen war in die Stadt geschmuggelt worden. Der Kronprinz bestand darauf, dass die Stadt sich hielt, und so würde Peymann sein Bestes dafür tun.
»Zählen Sie die Bomben, Major«, wiederholte er. »Sofort beim Beginn des Beschusses zählen Sie die Bomben.«
Es bestand die Möglichkeit, dass das Bombardement während des Tages wiederholt wurde, doch Peymann bezweifelte das. Die Briten würden die Nacht nutzen. Vielleicht glaubten sie, die Dunkelheit verstärke den Terror der Bombardierung oder verberge ihre Untaten vor Gott, aber heute Nacht würden sie das Unheil fortsetzen, davon war Peymann überzeugt. Er musste an der Intensität ihrer Bombardierung einschätzen, wie lange sie noch so weitermachen konnten. Und Kopenhagen musste weiter leiden.
»Was mache ich mit Aksel?«, fragte Sharpe Astrid an diesem Nachmittag.
»Was willst du denn mit ihm machen?«
»Ihn töten.«
»Nein.« Sie runzelte missbilligend die Stirn.
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