Sharpes Beute
»Kannst du ihn nicht einfach laufen lassen?«
»Und er wird in zehn Minuten mit Soldaten zurück sein«, sagte Sharpe. »Er wird einfach in seinem Gefängnis warten müssen.«
»Bis wann?«
»Bis die Stadt kapituliert«, sagte Sharpe. Noch eine Nacht wie die vergangene, dachte Sharpe, und Kopenhagen wird aufgeben.
Und was dann? Würde er bleiben? Wenn ja, dann würde er sich für eine Nation entscheiden, die Britanniens Feind und Frankreichs Verbündeter war. Angenommen, er musste für sie kämpfen? Würde er die grüne Uniform ausziehen und stattdessen die blaue der Dänen tragen? Oder würde Astrid mit ihm nach Britannien gehen? Und was würde er dann tun außer kämpfen und sie allein in einem fremden Land lassen? Ein Soldat sollte nicht heiraten, dachte er.
»Was denkst du?«, fragte Astrid.
»Es ist Zeit zum Aufbruch.« Er küsste sie, dann zog er sich an und ging hinunter in den Hof.
Die Stadt stank nach verbranntem Pulver, und eine dünne Rauchwolke verschmierte den Himmel, aber wenigstens der Regen hatte aufgehört. Er brachte Bang Brot und Wasser und betrachtete ihn mürrisch.
»Du bleibst hier, Aksel, bis alles vorüber ist«, sagte Sharpe.
Er schloss die Tür des provisorischen Gefängnisses wieder ab und weckte dann Hopper und Clouter. Das Trio ging dann in den Hof und machte neue Lunten für drei der nicht explodierten Bomben. »Wenn wir im Haus sind«, sagte Sharpe, »töten wir jeden.«
»Auch die Dienstmädchen?«, fragte Hopper.
»Keine Frauen«, sagte Sharpe, »und nicht Skovgaard, wenn er noch lebt. Wir gehen rein, suchen ihn und hauen mit ihm ab. Und wir töten alle Männer.« Er setzte die letzte der schnell brennenden Lunten ein, sodass die Bombe binnen Sekunden nach dem Anzünden explodieren würde.
»Wie viele Bastarde sind es?«, fragte Clouter.
Sharpe wusste es nicht. »Ein halbes Dutzend? Und ich nehme an, es sind Franzosen, keine Dänen.«
Er hatte sich gefragt, wer in der vergangenen Nacht auf ihn geschossen hatte, und war zu dem Schluss gelangt, dass die Franzosen Männer zurückgelassen hatten, als ihre Botschaft nach Süden umgesiedelt war. »Oder es können Dänen sein, die für die Franzosen arbeiten«, fügte er hinzu.
»Das ist das Gleiche«, sagte Hopper. »Aber was tun sie hier?«
»Sie sind Spione«, sagte Sharpe. »Es findet ein dreckiger geheimer Krieg in ganz Europa statt, und sie sind hier, um unsere Spione zu töten, und wir sind hier, um ihre zu töten.«
»Gibt es Extrasold für das Töten von Spionen?«, fragte Clouter.
Sharpe grinste. »Ich kann es nicht versprechen, aber mit etwas Glück werdet ihr so viel Gold bekommen, wie ihr tragen könnt.« Er blickte zum Himmel. Die Abenddämmerung war nahe, doch das Zwielicht des Spätsommerabends würde noch eine Weile anhalten. Sie mussten warten.
Es lag eine Atmosphäre der Erschöpfung über der Stadt. Die britischen Batterien waren still. Die dänischen Geschütze feuerten weiter, aber langsam, als wüssten die Kanoniere, dass ihre Bemühungen an Faschinen und Feldschanzen verschwendet waren. Einige Haubitzen waren aus der wiederholt bombardierten Zitadelle geholt und auf der Stadtmauer aufgestellt worden. Ihre Kanoniere versuchten die nächsten britischen Batterien zu beschießen, doch keiner konnte sehen, welche Wirkung sie damit erzielten.
Die Dunkelheit senkte sich langsam über den wolkenverhangenen Himmel. Der Wind wehte kühl von Osten, während die ganze Stadt wartete. Eine Zeitlang hatte es den Anschein, als gäbe es keine Bombardierung in dieser zweiten Nacht, doch dann gab es einen großen Blitz in der Dunkelheit im Westen, und ein Streifen Rot, dünn wie ein Nadelstich, stieg zu den Wolken empor. Der rote Strich der brennenden Lunte erreichte seinen Gipfelpunkt und schwebte dort sekundenlang, bevor er zu fallen begann.
Und dann feuerten die anderen Mörser, und ihr Lärm vereinigte sich zu einem gewaltigen Donnerschlag, der auf die Stadt zurollte, als die Spuren der brennenden Lunten emporstiegen und die ersten der Bomben auf die Häuser fielen.
»Wir können gehen«, sagte Sharpe.
Die drei Männer gingen durch die Straßen, die von fernem Feuerschein erhellt waren. Sharpe konnte an der Spur der brennenden Lunten erkennen, dass die Bombardierung in dieser Nacht nicht der Zitadelle galten, sondern die Bomben auf die gleichen Straßen fielen, die bereits gestern bombardiert worden waren. Die Geschosse von der Flotte zogen ihre Spuren am Himmel, während die Raketen, dick und glühend, über
Weitere Kostenlose Bücher