Sharpes Beute
dünnen, jungen Mann, der immer noch schläfrig wirkte.
»William und ich waren zusammen in Eton«, antwortete Lavisser.
Pumphrey öffnete die Augen, spähte zu Lavisser, als sei er überrascht, ihn zu sehen, schien zu erschauern und schloss die Augen wieder.
»Sie und ich hätten auch in Eton sein sollen«, sagte Baird zu Sharpe. »Dann hätten wir nützliche Dinge gelernt, zum Beispiel, auf welche Seite des Pisspotts man pinkelt. Haben Sie gefrühstückt, Lavisser?«
»Der Lieutenant des Towers war sehr gastfreundlich, danke, Sir.«
»Sie mögen Gardisten im Tower«, sagte Baird, eine versteckte Andeutung, dass richtige Soldaten dort nicht so willkommen waren. »Captain Lavisser ...«, er sprach jetzt zu Sharpe, »... ist ein Adjutant des Duke of York. Das habe ich Ihnen gesagt, nicht wahr? Aber habe ich Ihnen auch gesagt, wie nutzlos Seine Königliche Hoheit ist? Der verdammte Mann denkt, er sei ein Soldat. Er vermasselte '99 seinen Feldzug in Holland, und jetzt ist er der Oberbefehlshaber. So was passiert Ihnen, Sharpe, wenn Sie der Sohn des Königs sind. Zum Glück ...«, Baird wandte sich mit sichtlicher Freude an Lavisser, »... für euch königlichen Günstlinge hat die Armee noch ein, zwei richtige Soldaten. Lieutenant Sharpe ist einer davon. Er ist ein Schütze, falls Sie es an diesem blutbefleckten grünen Lumpen nicht erkannt haben, und ein Halsabschneider.«
Lavisser, offensichtlich überhaupt nicht beleidigt, weil sein Herr beleidigt worden war, blickte verwirrt. »Er ist - was, Sir?«
»Sie waren nicht in Indien, oder?«, fragte Sir David, und die Frage klang wie eine Anschuldigung. »Ein Halsabschneider, Lavisser, ist ein Killer, ein gefühl- und gewissenloser Killer. Ich bin ein Halsabschneider, Lavisser, und Mister Sharpe ist auch einer. Sie sind keiner, ebenso wenig Sie, Gordon.«
»Ich danke dem Allmächtigen für diese Gnade«, sagte Bairds Adjutant glücklich.
»Sharpe ist ein guter Halsabschneider«, sagte Baird. »Er kam aus den Mannschaften, und das kann man nicht schaffen, wenn man zimperlich ist. Erzählen Sie ihnen, was Sie in Seringapatam gemacht haben, Sharpe.«
»Muss das sein, Sir?«
»Ja.« Baird bestand darauf, und so erzählte Sharpe die Geschichte so kurz, wie er konnte. Lavisser hörte höflich zu, aber Lord Pumphrey, dessen Anwesenheit immer noch ein Geheimnis für Sharpe war, öffnete die Augen und hörte aufmerksam zu, sodass er Sharpe nervös machte. Seine Lordschaft sagte jedoch nichts, als Sharpe die nüchterne Geschichte beendete.
Stattdessen sprach Lavisser. »Sie beeindrucken mich, Mister Sharpe«, sagte er übertrieben begeistert, »Sie beeindrucken mich mächtig.« Sharpe wusste nicht, was er dazu sagen sollte, und so blickte er aus dem Fenster auf ein kleines Weizenfeld, das vom Regen platt gedrückt war. Jenseits des nassen Weizens stand ein Heuschober, was ihn daran erinnerte, dass Grace während der Ernte im Jahr zuvor gestorben war. Er glaubte einen Kloß in der Kehle zu haben. Verdammt, dachte er, hört das denn niemals auf? Er sah Grace vor seinem geistigen Auge. Sie saß da mit gefalteten Händen auf ihrem geschwollenen Bauch und lachte über irgendeinen albernen Witz. Allmächtiger, dachte er, lass es vorübergehen.
Ihm wurde auf einmal bewusst, dass Sir David Baird jetzt über Kopenhagen sprach. Der dänische König war anscheinend verrückt, und das Land wurde stattdessen vom Kronprinzen regiert. »Stimmt es, dass Sie ihn kennen?«, wollte Baird von Lavisser wissen.
»Der Kronprinz kennt mich«, sagte Lavisser vorsichtig. »Mein Großvater ist einer seiner Kammerherren, so habe ich diese Empfehlung. Und mein Herr, der Duke, ist sein Cousin.«
»Wird das genug sein?«
»Mehr als genug«, bestätigte Lavisser.
Lord Pumphrey nahm eine Uhr aus seiner Tasche, fummelte an der Kette herum, blickte auf das Ziffernblatt und gähnte.
»Ist es langweilig für Sie, Mylord?«, grollte Baird.
»In Ihrer Gesellschaft bin ich immer gut unterhalten, Sir David«, sagte Lord Pumphrey mit sehr hoher Stimme. Er betonte jedes Wort sehr deutlich, was der Äußerung eine seltsame Autorität verlieh. »Ich bin gefesselt von Ihren Worten«, fügte er hinzu, steckte die Uhr ein und schloss die Augen.
»Verdammter Narr«, murmelte Sir Baird, dann blickte er Sharpe an. »Wir sprechen über die dänische Flotte«, erklärte er. »Es ist eine verdammt große Flotte, die sich in Kopenhagen versteckt und vor sich hin modert. Aber die Franzmänner möchten sie in ihre
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