Sharpes Beute
ausgeliefert sein. Oder er konnte das tun, wovor er sich fürchtete.
Jem Hocking hatte einst versucht, den jungen Richard Sharpe zum Kaminreinigen zu verkaufen, doch Sharpe war davongelaufen. Kaminreinigen war ein Todesurteil. Einige Jungs blieben im Kamin stecken und erstickten, während der Rest Blut aushustete und die Lunge beschädigt wurde, lange bevor sie ganz erwachsen wurden. So hatte Sharpe Reißaus genommen und seither nie aufgehört, fortzulaufen, doch diesmal musste er es versuchen und klettern wie ein Kaminfeger. Er bückte sich in den breiten Kamin. Er war sauber, doch er roch den Ruß im Schacht, der nach oben führte. Er streckte die Hände hoch, um einen Vorsprung in den Ziegeln zu ertasten. Wieder stieg in ihm die Angst empor, in der schwarzen Enge gefangen zu sein, doch es war der einzige Ausweg. Jedenfalls hoffte er, dass es ein Ausweg sein würde, sicher konnte er sich nicht sein. Es war möglich, dass es nur der Abzug für einen einzigen Kamin war. In diesem Fall würde er sich immer mehr verengen, und er würde nicht hindurchpassen. Aber es war weitaus wahrscheinlicher, dass dieser Abzug sich mit einem zweiten vereinigen würde. Klettere diesen Schacht rauf, sagte er sich, dann lass dich durch den anderen wieder hinab. Es wird leicht sein, versuchte er sich einzureden, schon ein zehnjähriger Junge kann das schaffen.
Er zog sich an dem Vorsprung hoch und versuchte mit den Stiefeln irgendwo Halt zu finden. Ein paarmal rutschte er ab, doch dann schaffte er es, sich in dem Schlund aufwärtszuschieben. Die Luft stank, aber zuerst kam er gut voran.
Das Haus war fast neu, dennoch hatte sich schon eine dicke Rußschicht gebildet, die unter seinen Fingern bröckelte und in sein Haar und seine Augen fiel. Er hörte, wie der Ruß hinab in den Kamin rieselte. Angenommen, Skovgaard war noch in einem Zimmer unten. Oder jemand zündete ein Feuer an. Er hielt das für unwahrscheinlich, aber die Angst blieb.
Er versuchte sich aufzurichten. Das Mauerwerk im Kamin war ungleichmäßig, und seine Kleidung blieb an Mörtel hängen. Er zwängte sich weiter und hörte Stoff reißen, und dann steckte er fest. Er wusste, dass der Schacht nur enger werden konnte, und so drehte er sich und rutschte im Kamin zurück. Er kroch wieder in das Esszimmer, rang um Atem und wischte sich Ruß aus den Augen.
Wenn es zu schaffen ist, dachte er, dann nur nackt.
Er zog sich aus, überwand sich und kletterte wieder in den Kamin und den schmalen Schacht hinauf. Wieder rieselte ihm Ruß ins Gesicht. Er atmete durch die Nase, aber Ruß geriet hinein, und er war gezwungen, mit halb geöffnetem Mund zu atmen. Seine Augen brannten und tränten. Als er mit den Füßen Halt suchte, stockte ihm der Atem, als unter der Hand, die er um einen Mauervorsprung krallte, der Mörtel brach, und Staub in sein Haar fiel. Ein Stück Mörtel fiel in den Kamin hinab.
Er lauschte und glaubte, nur das Hämmern seines Herzens zu hören. Er fand Halt an einem Vorsprung in der Schwärze und zog sich weiter hoch. Das Haar an seinem Hinterkopf rieb gegen Steine, und er spürte, dass sich der Schacht noch mehr verengte. Schreckliche Verzweiflung, fast Panik stieg in ihm auf, als er dachte, dass der Weg blockiert war und er feststeckte, aber dann, ganz plötzlich, griff seine rechte Hand ins Nichts.
Ihm stockte der Atem, und dann entdeckte er, dass die Steine über ihm im Bogen steil abfielen, und er wusste, dass er an die Vereinigung zweier Luftschächte gelangt war. Jetzt brauchte er sich nur noch weiter hoch zu schlängeln, dann in den zweiten Abzug gleiten lassen und beten, dass er nicht enger als der erste war.
Er fand Halt mit den Füßen und schob sich hoch, bis schließlich ein freier, schwarzer Platz vor seinem Gesicht war. Er verharrte und tastete die Stelle ab, wo sich die beiden Schächte vereinigten. Hochstimmung stieg in ihm auf. Er hatte es fast geschafft! Er klammerte sich an die Kante, zog sich hoch und drehte sich so, dass er mit dem Bauch über die Schachtkante gleiten konnte.
Die Vereinigung der Rauchkanäle war eine Kammer, die zwar breit, aber sehr niedrig war, sodass er sich den Kopf stieß, und der Schornstein, der zum Dach hinaufführte, war zu eng, um hinaufzuklettern. Er spürte einen Luftzug von diesem oberen Kamin, konnte jedoch immer noch nichts sehen. Er zwang sich, die Augen zu öffnen. Sie brannten schrecklich, und durch die Tränen konnte er weder das Schimmern von Mondschein durch den oberen Schornstein sehen noch
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