Sharpes Festung
sich um und beobachtete, wie eine fehlgeleitete Rakete von der Festung aufstieg, eine Rauchspur hinterließ und schließlich harmlos auf die Erde stürzte. »Nehmen Sie wirklich am Angriff teil?«, fragte er Lockhart.
»Nicht in der ersten Reihe«, sagte Lockhart. »Ich bin doch kein Blödmann. Aber Colonel Huddlestone sagt, wir können reingehen und nach Dodd suchen. So warten wir ab, bis ihr Jungs die harte Arbeit erledigt habt, und folgen euch dann.«
»Ich werde nach Ihnen Ausschau halten.«
»Und wir werden ein Auge auf Sie haben«, versprach Lockhart. »Aber in der Zwischenzeit werde ich nachsehen, ob Clare eine eingefädelte Nadel braucht.«
»Tun Sie das«, sagte Sharpe. Er schaute dem Kavalleristen hinterher und sah zugleich, dass Ahmed mit dem wenigen Gepäck seines Ensigns aus Clares Zelt vertrieben wurde. Der Junge sah empört aus, aber Sharpe nahm an, dass ihr Auszug aus dem Zelt nicht lange dauern würde, denn Clare würde sicherlich noch vor dem Abend in das Quartier des Kavalleristen ziehen. Ding dong, die Hochzeitsglocken läuten, dachte er. Er nahm den Beutel mit den Juwelen von Ahmed entgegen und beobachtete dann, während seine Uniform abgeändert wurde, wie der Beschuss der Belagerungsgeschütze der Festungsmauer zusetzte.
Der junge Reiter, der vor dem Tor von Gawilgarhs innerem Fort sein Pferd gezügelt hatte, war groß, arrogant und selbstsicher. Er trug ein weißes Seidengewand, das um die Taille mit einem roten Lederriemen gegürtet war, an dem eine mit Edelsteinen besetzte Scheide mit einem tulwar hing. Der Reiter bat nicht, dass das Tor geöffnet wurde, er verlangte es. Es gab eigentlich keinen Grund, seine Forderung abzuweisen, denn ständig überquerten Männer die Schlucht zwischen den beiden Festungen, und Dodds Kobras waren daran gewöhnt, jeden Tag die Tore ein Dutzend Mal zu öffnen und wieder zu schließen, aber da war etwas am Verhalten des jungen Mannes, das Gopal ärgerte. So ließ er Colonel Dodd holen.
Dodd traf einen Augenblick später mit einem englischen Sergeant an der Seite ein, in dessen Gesicht es dauernd krampfhaft zuckte. Der Reiter beschwerte sich bei Dodd über Gopal, verlangte seine Bestrafung, doch Dodd spuckte nur aus und wandte sich dann an Hakeswill. »Warum will ein Mann durch dieses Tor reiten?«
»Weiß ich nicht, Sir«, sagte Hakeswill. Der Sergeant trug jetzt einen weißen Uniformrock mit einer schwarzen Schärpe, die ein Rangabzeichen war, doch es war nicht ganz klar, welcher Rang das war.
»Draußen kann er nirgendwo sein Pferd bewegen«, sagte Dodd. »Es sei denn, er will durch das äußere Fort ins englische Lager reiten. Frag ihn, was er vorhat, Gopal.«
Der junge Mann verweigerte Gopal eine Antwort. Dodd zuckte mit den Schultern, zog seine Pistole und richtete sie auf den Kopf des Reiters. Der junge Mann erbleichte und schrie etwas zu Gopal.
»Er sagt, Sahib, dass er auf einem Botenritt für den Killadar ist«, übersetzte Gopal für Dodd.
»Welcher Botenritt?«, fragte Dodd. Der junge Mann wollte offenkundig nicht antworten, doch Dodds grimmige Miene und die auf ihn zielende Pistole sorgten dafür, dass er ein versiegeltes Päckchen aus dem Beutel nahm, der an seinem Gurt hing. Er zeigte Dodd das Siegel des Killadars, aber Dodd war nicht beeindruckt von dem roten Wachs, das eine Schlange zeigte, die sich um eine Messerklinge wand. »An wen ist es adressiert?«, fragte er und forderte den jungen Mann mit einer Geste auf, das Päckchen umzudrehen.
Der Reiter gehorchte, und Dodd sah, dass das Päckchen an den befehlshabenden Offizier des britischen Lagers adressiert war. Es musste von jemandem geschrieben worden sein, der kein Englisch konnte, denn es war abscheulich fehlerhaft, doch die Worte waren unmissverständlich. Dodd trat vor und packte das Pferd am Zaumzeug.
»Hol ihn aus dem Sattel, Gopal«, befahl Dodd. »Bring ihn in die Arrestzelle und lass von einem Mann Manu Bappu holen.«
Der junge Mann wollte für einen Moment Widerstand leisten, schaffte es sogar, seinen tulwar halb aus der kostbaren Scheide zu ziehen, doch ein Dutzend von Dodds Männern überwältigte ihn leicht. Dodd wandte sich ab, forderte Hakeswill mit einer Geste auf, ihm zu folgen, und stieg die Stufen zum Wehrgang hinauf. »Es ist offenkundig, was der Killadar tut«, grollte Dodd. »Er versucht, Frieden zu schließen.«
»Ich dachte, hier könnten wir nicht besiegt werden, Sir«, sagte Hakeswill alarmiert.
»Das können wir auch nicht«, sagte Dodd, »aber
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