Sharpes Festung
die Frau, deren Haus er besetzt hatte.
»Sie wohnt hier, Sir.«
»Jetzt nicht mehr. Entfernen Sie das schwarze Weib und ihre stinkenden Kinder. Brick!«
Clare Wall kam aus dem Sonnenschein. Sie trug einen Beutel. »Sir?«
»Ich habe Hunger, Brick. Such die Küche. Wir sind spät aufgebrochen, Sharpe«, erklärte er, »und haben gestern das Abendessen ausgelassen.«
»Ich nehme an, deshalb will der General Sie sehen, Sir«, sagte Sharpe. »Nicht, weil Sie kein Abendessen gehabt haben, sondern weil der Nachschub nicht eintraf.«
Torrance starrte entsetzt. »Wellesley will mich sehen?«
»Sechs Uhr, Sir, in seinem Zelt.«
»Oh, Himmel!« Torrance warf seinen Zweispitz durch den Raum. »Nur weil der Nachschub ein bisschen zu spät kam?«
»Zwölf Stunden zu spät, Sir.«
Torrance starrte Sharpe an, dann fischte er seine Taschenuhr aus der Uhrtasche. »Es ist bereits nach halb sechs! Gott helfe uns! Können Sie Ihren Rock ausbürsten, Sharpe?«
»Mich will er nicht sehen, Sir. Nur Sie.«
»Nun, er wird verdammt uns beide sehen. Saubere Uniform, Sharpe, das Haar gekämmt, die Pfoten und das Gesicht gewaschen, Sonntagsstaat.« Torrance runzelte plötzlich die Stirn. »Warum haben Sie mir nicht erzählt, dass Sie Wellesley das Leben gerettet haben?«
»Habe ich das getan, Sir?«
»Ich meine, guter Gott, er muss Ihnen dankbar sein, oder?«, fragte Torrance.
Sharpe zuckte nur mit den Schultern.
»Sie haben ihm das Leben gerettet«, beharrte Torrance, »und das heißt, dass er in Ihrer Schuld steht, und diesen Vorteil müssen Sie nutzen. Sagen Sie ihm, wir hatten nicht genug Männer, um den Versorgungszug richtig einzusetzen. Legen Sie ein gutes Wort für mich ein, Sharpe, und ich werde Ihnen den Gefallen zurückzahlen. Brick! Vergiss das Essen! Ich brauche einen sauberen steifen Kragen, polierte Stiefel, gebürsteten Hut. Und mein Frack muss gebügelt werden!«
Sergeant Hakeswill schob sich durch die Tür. »Ihre Hängematte, Sir«, sagte er zu Torrance, dann sah er Sharpe, und ein Grinsen breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus. »Sieh mal an, wer da ist. Sharpie!«
Torrance fuhr zu dem Sergeant herum. »Mister Sharpe ist ein Offizier, Hakeswill! In dieser Einheit achten wir auf Anstandsformen!«
»Hab mich ganz vergessen, Sir«, sagte Hakeswill, und in seinem Gesicht zuckte es. »Aus Freude, mit einem alten Kameraden wieder vereint zu sein. Mister Sharpe, es freut mich ungemein, Sie wiederzusehen, Sir.«
»Verlogener Bastard«, sagte Sharpe.
»Sollten Offiziere nicht auch auf die Anstandsformen achten, Sir?«, fragte Hakeswill Torrance, doch der Captain hatte sich auf die Suche nach seinem eingeborenen Diener gemacht, der für das Gepäck verantwortlich war. Hakeswill sah wieder Sharpe an. »Vom Schicksal bestimmt, mit Ihnen zusammen zu sein, Sharpie!«
»Bleib mir aus der Sonne, Obadiah«, sagte Sharpe, »oder ich schneide dir die Kehle durch.«
»Ich kann nicht getötet werden, Sharpie, ich bin unsterblich!« Hakeswills Gesicht zuckte und verzerrte sich. »So steht es schon in der Bibel.« Er schaute Sharpe von oben bis unten an, dann schüttelte er den Kopf. »Ich habe schon Besseres unter dem Schwanz von Schafen herabhängen sehen. Sie sind kein Offizier, Sharpie, Sie sind eine verdammte Schande.«
Torrance kehrte ins Haus zurück, rief seinem Diener zu, die Fenster mit Musselin zu verhängen, und eilte in die Küche, um Clare Wall anzutreiben. Er stolperte über Sharpes Tornister und fluchte. »Wem gehört das?«
»Mir«, sagte Sharpe.
»Sie denken doch nicht, dass Sie sich hier einquartieren können, oder, Sharpe?«
»Hier ist es so gut wie anderswo, Sir.«
»Ich liebe meine Privatsphäre, Sharpe. Suchen Sie sich was anderes.« Torrance erinnerte sich plötzlich, dass er mit einem Mann sprach, der vielleicht Einfluss bei Wellesley hatte. »Wenn Sie so freundlich wären, Sharpe. Ich kann einfach nicht ertragen, beengt zu sein. Ist ein seelisches Leiden, ich weiß, kann aber nichts dafür. Ich brauche Einsamkeit, das ist meine Natur. Brick! Habe ich gesagt, dass mein Hut abgebürstet werden muss? Und die Feder muss ausgekämmt werden.«
Sharpe hob seinen Tornister auf und ging hinaus zum kleinen Garten, wo Ahmed seinen neuen tulwar schärfte. Clare Wall folgte ihm in den Sonnenschein, murmelte etwas vor sich hin, setzte sich und begann einen von Torrances Stiefeln zu polieren.
»Warum, zum Teufel, bleiben Sie bei ihm?«, fragte Sharpe.
Sie hielt inne, um Sharpe anzusehen. Sie hatte
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