Sharpes Festung
ist dort oben, dachte Sharpe, noch einer, der erledigt werden muss. Dodd und Torrance, Hakeswill und seine beiden Männer. Eine Rechnung musste beglichen werden, indem all die Bastarde zur Hölle geschickt wurden.
»Wohin soll ich Sie bringen?«, fragte Sevajee.
»Mich bringen?«
»Wollen Sie zum General reiten?«
»Himmel, nein!« Sharpe konnte sich nicht vorstellen, mit Wellesley zu sprechen. Der kühle Mistkerl würde ihm vermutlich die Schuld daran geben, dass er in Schwierigkeiten geraten war. Sollte er vielleicht zu Stokes reiten? Oder zur Kavallerie? Sergeant Lockhart würde ihn zweifellos willkommen heißen. Doch dann hatte er eine bessere Idee. »Bringen Sie mich dorthin, wo Sie kampieren«, sagte er.
»Und am Morgen?«
»Sie haben einen neuen Rekruten«, sagte Sharpe. »Ich bin jetzt einer Ihrer Männer.«
Sevajee wirkte belustigt. »Und warum?«
»Was meinen Sie denn? Ich möchte mich verstecken.«
»Noch mal – warum?«
Sharpe seufzte. »Denken Sie, Wellesley würde mir glauben? Wenn ich zu Wellesley gehe, wird er annehmen, ich hätte einen Hitzschlag erlitten oder wäre betrunken. Und Torrance wird alles leugnen, denn sonst müsste er Hakeswill ans Messer liefern.«
»Hakeswill?«, fragte Sevajee.
»Der Bastard, den ich töten werde«, sagte Sharpe. »Und das wird leichter sein, wenn er nicht weiß, dass ich noch lebe.« Und diesmal, das schwor sich Sharpe, werde ich auf Nummer sicher gehen. »Meine einzige Sorge, Sevajee, ist Major Stokes’ Pferd. Stokes ist ein guter Mann.«
»Dieses Pferd?«, fragte Sevajee und nickte zu der grauen Stute.
»Können ein paar von Ihren Jungs es am Morgen zu ihm zurückbringen?«
»Selbstverständlich.«
»Sagen Sie ihm, ich wäre abgeworfen und vom Feind gefangen genommen worden«, sagte Sharpe. »Er soll denken, ich wäre ein Gefangener in Gawilgarh.«
»Und unterdessen werden Sie einer von uns sein?«
»Ich bin einfach ein Marathe geworden«, sagte Sharpe.
»Willkommen«, sagte Sevajee. »Und was Sie jetzt brauchen, Sharpe, ist eine Ruhepause.«
»Ich habe mich genügend ausgeruht«, widersprach Sharpe. »Was ich wirklich brauche, sind einige Kleidungsstücke und Dunkelheit.«
»Sie müssen auch etwas essen«, sagte Sevajee. Er blickte zur Mondscheibe über der Festung. Sie verblasste. »Morgen Nacht wird es dunkler sein«, prophezeite er, und Sharpe nickte. Er wünschte sich tiefe Dunkelheit, eine Finsternis, in der ein lebender Geist auf die Jagd gehen konnte.
Major Stokes war dankbar für die Rückkehr seines Pferdes, aber traurig über Sharpes vermeintliches Schicksal.
»Gefangen genommen!«, erzählte er Sir Arthur Wellesley. »Das ist auch mein Fehler.«
»Ich verstehe nicht, wie das sein kann, Stokes.«
»Ich hätte ihn niemals allein fortreiten lassen dürfen. Hätte ihn warten lassen sollen, bis eine Gruppe zurückkehrt.«
»Es wird nicht die erste Kerkerzelle sein, die er gesehen hat«, sagte Wellesley, »und ich kann mir denken, dass es auch nicht die letzte sein wird.«
»Sharpe wird mir sehr fehlen«, sagte Stokes. »Er ist ein guter Mann.«
Wellesley stieß einen Grunzlaut aus. Er war die ausgebaute Straße hinaufgeritten, um eine Vorstellung von ihrem Fortschritt zu bekommen, und war beeindruckt, doch er verzichtete darauf, sich seine Zufriedenheit anmerken zu lassen. Die Straße wand sich jetzt in die Hügel hinauf, und nach einem weiteren Arbeitstag würde sie den Fuß des Hanges erreichen. Die Hälfte der benötigten Belagerungsgeschütze war jetzt auf einer Hochlandwiese neben der Fahrbahn aufgereiht, während Ochsen mit ihren schweren Lasten aus Kanonenkugeln, die für das Durchbrechen von Gawilgarhs Mauern nötig waren, die niedrigeren Hänge hinauftrotteten. Die Marathen hatten ihre Angriffe auf die Straßenbauer eingestellt, seit Wellesley zwei Bataillone Sepoys in die Hügel geschickt hatte, um den Feind zu jagen. Dann und wann fielen in großer Entfernung Musketenschüsse, doch sie fanden für gewöhnlich kein Ziel.
»Ihre Arbeit wird nicht mit der Straße enden«, sagte Wellesley zu Stokes, als der General und sein Stab dem Ingenieur zu Fuß auf höheres Terrain folgten, um sich von dort die Festung genau anzusehen.
»Das habe ich mir schon gedacht, Sir.«
»Kennen Sie Stevenson?«
»Ich habe schon mit dem Colonel gegessen.«
»Ich schicke ihn hier rauf. Seine Soldaten werden den Sturmangriff durchführen. Meine Männer werden unten bleiben und die beiden Straßen erklettern.« Wellesley sprach knapp,
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