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Sharpes Feuerprobe

Titel: Sharpes Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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einzelnes Blatt aus seiner Hosentasche. Sein Gesicht rötete sich, denn Sharpe und er wussten, warum die Seite aus der Heiligen Schrift gerissen worden war, und es war aus keinem Grund geschehen, den Colonel McCandless gebilligt hätte. »Nur eine Seite, Sir«, sagte Lawford entschuldigend.
    »Gib her, Mann«, sagte McCandless grimmig, »und lass uns sehen, was der Herr uns zu sagen hat.« Er entfaltete die zerknitterte Seite, strich sie glatt und hielt sie ans Licht. »Ah, die Offenbarung!« Er wirkte erfreut. »Gesegnet seien die Toten – die im Herrn sterben«, las er laut. »Amen.«
    »Nicht sehr heiter, Sir«, wagte Sharpe zu äußern.
    »Es ist die heiterste Sache, über die ich hier nachsinnen kann, Private. Ein Versprechen von Gott dem Allmächtigen persönlich. Wenn ich sterbe, werde ich in Sein Reich aufgenommen.« Der Colonel lächelte über diesen Trost. »Muss ich annehmen, Private, dass Sie nicht lesen können?«
    »Ich, Sir? Nein, Sir, das Lesen hat man mich nie gelehrt, Sir.«
    »Er ist saudumm, Sir«, rief Hakeswill von der anderen Seite des Gangs. »Das war er schon immer, Sir.«
    »Wir müssen Sie das Lesen lehren«, sagte McCandless und ignorierte die Bemerkungen des Sergeants.
    »Mister Lawford wollte mit mir anfangen, Sir«, sagte Sharpe.
    »Dann schlage ich vor, er fängt jetzt an.«
    Lawford lächelte schüchtern. »Es ist schwierig, zu wissen, womit man beginnen soll, Onkel.«
    »Warum nicht mit T für Tiger?«, schlug McCandless vor.
    Die Bestie grollte, dann ließ sie sich aufs Stroh nieder. Und Sharpe begann mit einigen Jahren Verspätung seine Bildung.
 
    Die Belagerungsarbeiten machten schnelle Fortschritte. Rotröcke und Sepoys arbeiteten Tag und Nacht, hoben Gräben aus und verkleideten die Seiten mit Bambusmatten. Ständig störte Raketenbeschuss die Arbeit, und Tippu hatte einige der Geschütze auf dem Westwall wieder aufstellen lassen, doch deren Feuer beeinträchtigte wenig von der Arbeit. Und die Kanoniere litten stark unter dem Störfeuer der britischen 18-Pfünder, die auf der eroberten Mühlenfestung aufgestellt worden waren. Kleinere Geschütze, 12-Pfünder und kurzläufige Haubitzen, schlossen sich der Bombardierung der Wälle an. Ihre Geschosse zerfurchten den Boden und rissen das rote Erdreich auf, bis schließlich die Bresche schlagenden großen Kurzstrecken­Batterien eingegraben waren und der Rest der massiven Belagerungsgeschütze in der Nacht vorwärts rollte und in ihren Geschützständen verborgen war.
    Für Tippus Soldaten, die vom westlichen Wall aus beobachteten, war das Terrain vor der Stadt jetzt ein Gewirr aufgewühlter Erde. Schützengräben wanden sich durch das Ackerland und endeten in größeren Erdhügeln, die aus den tieferen Geschützständen aufgeworfen worden waren.
    Nicht all diese größeren Erdhügel verbargen Geschütze, denn einige waren absichtlich aufgeworfen worden, um Tippu zu täuschen, sodass er erst wissen konnte, wo die richtigen Geschütze aufgestellt worden waren, wenn sie das Feuer eröffneten. Tippu wusste nur, dass die Briten auf seinen Westwall zielen würden, aber er wusste noch nicht, welchen Abschnitt die feindlichen Pioniere ausgewählt hatten, und es passte General Harris, dass Tippu das erst erfahren sollte, wenn die Breschen schlagenden Batterien das Feuer eröffneten. Wenn die Verteidiger zu früh über die erwählte Stelle für den Sturmangriff alarmiert waren, dann würden sie Zeit genug haben, dahinter sorgfältige Verteidigungsanlagen zu errichten.
    Tippu setzte jedoch darauf, den Briten vorzuspielen, dass er bereits wusste, wo sie die Bresche schlagen wollten, und in dem alten Torturm – nicht mehr als eine Attrappe –, wo die massive Sprengladung versteckt war, beendeten seine Pioniere ihre Vorbereitungen. Sie stapelten Steine um die große Pulverladung, sodass ihre Explosion nordwärts auf die Lücke zwischen den Wällen gelenkt wurde.
    Damit die Sprengladung wirkungsvoll war, mussten die Briten ihre Bresche in das kurze Stück des Walls zwischen dem alten Torturm und der nordwestlichen Bastion der Stadt schlagen, und Tippu ging ein ungeheures Risiko ein, denn es war schwer vorauszusagen, ob die Bresche tatsächlich in diesen Abschnitt des Walls geschlagen werden würde. Die Stelle wurde vom Zerfall des äußeren Walls bestimmt und von den Unzulänglichkeiten des niedrigen Glacis, das vor diesem einladenden Wall lag.
    Das anfängliche Glacis schützte halb die westliche Brustwehr mit den Zinnen, und die

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