Sharpes Feuerprobe
Ungläubigen hatte sich Tippu mit Juwelen herausgeputzt. Er hatte seine Seele und sein Königreich in Allahs Hand gegeben. Jetzt konnte er nur warten, dass die Sonne des späten Morgens immer höher stieg, um zu einer weiß glühenden Scheibe am indischen Himmel zu werden, wo die Geier ihre weiten Kreise zogen.
Die britischen Geschütze feuerten weiter. In der Moschee beteten einige Männer. Diese Gläubigen waren allesamt alt, denn jeder junge Mann, tauglich zum Kämpfen, wartete auf den Wällen. Die Hindus beteten zu ihren Göttern, während die Frauen der Stadt sich schmutzig und zerlumpt herrichteten, damit sie nicht die Aufmerksamkeit des Feindes auf sich ziehen würden, sollte die Stadt fallen.
Es wurde Mittag. Die Stadt kochte in der Hitze. Es herrschte sonderbare Stille, denn die Belagerungsgeschütze feuerten nur noch sporadisch. Jeder Schuss hallte dumpf von den Wällen wider, und bei jedem Treffer fielen Steine und stiegen kleine Staubwolken empor, und danach herrschte wieder Stille.
Auf den Wällen duckte sich eine Horde Männer hinter den Schützenauftritten, während in den Schützengräben jenseits des Flusses eine feindliche Horde auf die Befehle wartete, die sie gegen die Stadt schicken würden.
Tippu hatte einen Gebetsteppich bringen lassen. Er kniete sich mit dem Gesicht zum Feind darauf, verneigte sich und betete. Er betete, das Colonel Gudin sich irrte und dass der Feind ihm noch einen weiteren Tag geben würde, und dann, wie in einem Wachtraum, kam ihm eine Erkenntnis. Er hatte Geschenke verteilt, und Wohltätigkeitsgeschenke waren gesegnet. Aber er hatte kein Opfer gebracht. Seine Opfer hatte er für die Siegesfeier aufgespart, und vielleicht würde der Sieg nicht kommen, wenn er seine Opfer nicht jetzt machte. Das Glück war beeinflussbar, und der Tod war ein großer Veränderer des Glücks. Er machte eine letzte tiefe Verbeugung, berührte mit der Stirn den Gebetsteppich und richtete sich dann auf.
»Schicken Sie mir drei jettis «, befahl er einem Adjutanten. »Und sagen Sie ihnen, sie sollen mir die britischen Gefangenen mitbringen.«
»Alle, Hoheit?«, fragte der Adjutant.
»Nicht den Sergeant«, sagte Tippu. »Nicht den, dessen Gesicht zuckt, die anderen. Sagen Sie den jettis , sie sollen sie herbringen.«
Für seinen Sieg brauchte er ein letztes Opfer von Blut, bevor der Kaveri dunkel davon wurde.
Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Walter Kühn mit der Transaktion-ID 1107239 erstellt.
KAPITEL 10
Appah Rao war ein fähiger Mann, sonst wäre er nicht zum Kommandeur einer der Brigaden Tippus befördert worden. Er war auch ein diskreter Mann. Diskretion hatte Rao am Leben erhalten und ihn in die Lage versetzt, seine Loyalität gegenüber dem entthronten Radscha aus dem Hause Wodeyar zu bewahren, während er immer noch Tippu diente.
Jetzt, nachdem ihm befohlen worden war, seine Männer zu den Wällen von Seringapatam zu bringen und zu kämpfen, um die moslemische Dynastie Tippus zu bewahren, stellte Appah Rao schließlich seine Dynastie in Frage. Er gehorchte Tippu natürlich, und seine cushoons marschierten pflichtschuldig auf die Schutzwälle der Stadt.
Doch Appah Rao, der unter den Sonnenbannern über dem Maisur-Tor stand, fragte sich, was er von dieser Welt wollte. Er besaß eine Familie, einen hohen Rang, Wohlstand und Gesundheit, doch er verneigte sich trotzdem vor einem ausländischen Monarchen, und auf einigen der Fahnen über den Köpfen seiner Männer standen arabische Schriftzeichen, um einen Gott zu feiern, der nicht Appah Raos Gott war. Sein eigener König lebte in Armut, sogar unter der Bedrohung, hingerichtet zu werden, und es war möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass ein heutiger Sieg Tippu so hoch tragen würde, dass er den Radscha nicht länger brauchen würde. Der Radscha paradierte wie eine Puppe an heiligen Tagen der Hindus, um die Hindus versöhnlich zu stimmen, doch wenn Maisur keine Feinde im südlichen Indien mehr hatte, warum sollten die Hindus von Maisur versöhnlich gestimmt werden? Der Radscha und seine ganze Familie würden heimlich beseitigt werden und ihre Leichen wie die der ermordeten britischen Gefangenen in Schilfmatten eingehüllt in einem namenlosen Grab verscharrt werden.
Wenn Tippu jedoch verlor, würden die Briten in Maisur herrschen. Und wenn sie ihr Wort hielten, würde der Radscha zwar wieder in seinen Palast und auf seinen alten Thron gesetzt werden, aber der Palast würde sich immer noch auf die
Weitere Kostenlose Bücher